Vertraue mir (German Edition)
nachdenklich an. Der Mann hatte Recht.
Als sie neben Kathleen den Hang hinunter auf Killarney zugingen, sagte diese ohne auf eine entsprechende Frage gewartet zu haben:
„Ich weiß es auch nicht, Maura! Wir haben nie darüber nachgedacht, warum er sich im Grunde das Gegenteiligste an Arbeit suchen konnte, was wir machen. Tim war nun einmal ein Abenteurer! Es war ihm zu langweilig, die Reben zu schneiden oder die Abfüllung zu überwachen. Wenn er den freien Himmel sah, wollte er mit dem Fallschirm springen, hat er die Hügel gesehen, wollte er mit dem Mountainbike darüber rasen. Er war ein sehr unruhiger Geist.“
„Habe ich das alles mitgemacht, Mom? Ich fühle mich gar nicht so umtriebig. Momentan hätte ich das Gefühl, so ein Partner würde mich sehr stressen.“
„Du bist auch sehr sportlich, deswegen konntest du gut mithalten. Aber du bist oft am Wochenende zu uns herausgefahren, wenn er eine Gewalttour vorhatte und hast geholfen und dich hier erholt. Ich glaube, nachdem Richard verdaut hatte, dass Tim Killarney nicht weiterführen würde, hat er alle Hoffnungen auf dich gesetzt. Wenn einmal Kinder da gewesen wären, hättest du viele eurer Hobbys aufgeben müssen und wärst sicher viel hier gewesen. Das nimmt Richard natürlich jetzt auch sehr mit, dass er sein Lebenswerk in Gefahr sieht. Dass du vielleicht nun kein Interesse mehr hast.“
„ Killarney wäre ein wundervoller Ort, um Kinder großzuziehen“, sagte Maura träumerisch, als sie auf die sonnen beschienenen Gebäude zugingen.
„Als Tims Witwe bist du die Erbin, Maura. Wir haben keine weiteren Kinder. Vergiss das nicht!“
Maura sah sie fassungslos an.
„Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber, Mom, wer weiß, was noch passiert. Ich habe euch schon genug Schande gemacht.“
„Maura, jetzt mach’ mich nicht ärgerlich! Du warst unserem Sohn eine wunderbare Frau und uns bist du die liebste Schwiegertochter, die wir uns vorstellen können. Es war unangenehm, dich so aggressiv zu sehen. Aber durchaus verständlich.“
„Was aber ist, wenn ich mich erinnere und wieder zur Furie werde? Oder was ist, wenn ich mich nicht erinnere und zu Gabe möchte?“
„Gegen Letzteres hat kein Mensch etwas einzuwenden. Wir haben nie erwartet, dass eine junge Frau wie du ewig allein bleibt. Und Mr. Bennett haben wir schon immer sehr geschätzt. Er ist zwar ein ganzes Stückchen älter als du, aber überaus wichtig finde ich das nicht. Wichtig für uns ist, dass du ihn liebst, dich bei ihm wohl fühlst! Natürlich hoffen wir, dass du einmal einen Mann hast, der sich für Killarney erwärmen kann. Aber wenn du dein Glück nur anders findest, dann verkaufst du Killarney eben irgendwann einfach, wenn wir es nicht mehr bewirtschaften können! Denn der Mensch muss wichtiger sein als ein Gegenstand!“
Mauras Gesichtsausdruck wechselte von Fassungslosigkeit in Entsetzen.
„Mom, was denkst du von mir? Das könnte ich niemals!“
„Never say never!“, antwortete die kluge, ältere Frau behutsam. „Lass uns einen Schritt nach dem anderen tun. Heute nehmen wir uns erst mal das Medizinische vor, in Ordnung?“
„Als ersten Schritt hätte ich gegen etwas Essbares auch nichts einzuwenden“, witzelte Maura, als sie Kathleens Worte verdaut hatte.
„Na dann komm, du fleißige Arbeiterin, du hast es dir ja verdient. Richard, kommst du in einer halben Stunde zum Essen rein, bitte?“
Ihr Mann winkte ihr quer über den Hof zu und verschwand wieder im Inneren des großen Gebäudes.
Kathleen briet Kartoffeln in einer altmodischen großen Eisenpfanne, während Maura einen Tomatensalat zubereitete.
Das Radio spielte einen aktuellen Hit von Kylie Minogue, den Maura trotz der hohen Stimmlage einigermaßen mitsingen konnte.
Sie sah zu Kathleen hinüber, ob diese von ihrem Gejaule gestört wirkte und sah sich einer erstarrten Schwiegermutter gegenüber.
„Mom, was ist denn los?“
„Wann hast du dieses Lied gehört? Es ist ziemlich neu! Auf jeden Fall aus der Zeit nach Tims Tod. Kannst du dich daran erinnern?“
Maura überlegte. „Es kam auf der Rückfahrt von San Francisco hierher im Radio. Vorher kann ich mich nicht daran erinnern.“
„Dann könntest du den Text doch noch nicht so flüssig.“
Maura wurde kalt, als ihr klar wurde, was Kathleen damit sagen wollte. „Das ist wahr.“
Kathleen sagte erschüttert: „Es kommt wieder, Maura, du wirst sehen. Zuerst das Rebenschneiden, nun das Lied. Es ist nicht alles weg aus den letzten beiden
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