Vertraue nicht dem Feind
sie dort ein besonders krasses Drogenproblem hätten.«
»Avery?«, horchte Reese auf.
Rowdy wandte sich ab. »Sie wird die neue Barfrau.«
Seit wann mied Rowdy Yates den Augenkontakt? »Eine Frau hinter der Bar?«
»Dein Sexismus kommt wieder durch.«
Reese lachte über diesen grotesken Vorwurf. »Wer ist sie?«
»Wie gesagt, sie ist eine Bedienung und wird zukünftig den Barkeeper ersetzen.« Er verstummte und sah mit einem Mal betroffen aus. »Donnerwetter«, murmelte er.
Reese war sofort alarmiert. »Was ist los?«
»Mir ist nur gerade etwas eingefallen …« Jetzt drehte er sich doch zu Reese um. »Avery hat mir die Frauen gezeigt, mit denen sie nichts anfangen würde.«
»Wie bitte?«
»Ein Insiderwitz«, winkte er ab. »Sie ist Gott sein Dank nicht lesbisch.«
»Aha.« Worauf wollte Rowdy nur hinaus?
»Es ist so: Sie hat die Raucher und die Nörgler ausgeschlossen – und eine Frau mit merkwürdigen Tätowierungen. Damals haben mich die Tattoos nicht weiter interessiert, und ich habe sie mir nicht genauer angesehen. Avery bezeichnete sie als ›nicht hübsch, aber auffällig‹ und meinte, die Frau wäre am Knöchel und an der Schulter tätowiert.«
Langsam wurde es Reese unheimlich. »Diese Frau hielt sich in der Bar auf, die du gerade gekauft hast?«
»Ja. Avery erwähnte, dass der Drogenkonsum ein echtes Problem darstellen würde.« Er schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin: »Ich habe ihr versprochen, damit aufzuräumen, aber ich hätte nie gedacht …«
»Deine Bar könnte ein wichtiger Drogenumschlagplatz sein.«
Rowdy stieß sich von der Stoßstange ab und wechselte schnell das Thema. »Wie auch immer, diese DeeDee erwartet mich heute Abend jedenfalls dort. Da die Bar offiziell mir gehört, werde ich mich mit ihr treffen, ob es dir nun passt oder nicht.«
Verdammt, er konnte es nicht ausstehen, so untergebuttert zu werden. »Dir ist schon bewusst, dass dieses Date mit DeeDee ein abgekartetes Spiel ist?«
»Ja, gut möglich. Aber lass das ruhig meine Sorge sein. Vielleicht soll sie mich ja nur ein bisschen abklopfen und herausfinden, ob ich diesen Dealern auf die Schliche gekommen bin. Ich schätze, ich werde ihr eine nette Story erzählen, ein bisschen ihre Tattoos bewundern und erwähnen, dass ich selbst erwäge, mir eins stechen zu lassen. Vielleicht verrät sie mir ja, was ihres bedeutet, obwohl ich das für unwahrscheinlich halte. Jedenfalls habe ich so eine plausible Erklärung dafür, dass ich mich beim Tattoostudio herumgetrieben habe, und kann diese Typen vielleicht erst einmal auf eine falsche Fährte locken.«
Sein Plan hatte durchaus etwas für sich. Trotzdem fand Reese ihn indiskutabel. Dummerweise hatte er aber auch keinen besseren vorzuweisen. »Im Normalfall würde ich darauf bestehen, dass du die Verabredung mit ihr noch ein, zwei Tage aufschiebst, damit ich zuerst Nachforschungen anstellen und möglicherweise eine größere Operation planen kann, sodass wir gleich alle Beteiligten auf einmal kassieren können. Nicht nur die kleinen Fische, sondern auch die richtigen Bosse.«
»Ich weiß. Und unter anderen Umständen würde ich mich durchaus darauf einlassen, aber dieser Anruf von Cheryl setzt uns unter einen gewissen Zugzwang. Wir müssen unbedingt Boden gutmachen, damit Alice auf keinen Fall gefährdet wird.«
»So weit wird es nicht kommen.« Allein bei der Vorstellung verkrampfte er sich am ganzen Körper, und seine Brust fühlte sich an wie eingeschnürt. »Das lasse ich nicht zu.«
»Ich weiß. Aber ich werde trotzdem auch ein Auge auf sie haben.«
Reese antwortete zu Rowdys Verblüffung: »Ich weiß das zu schätzen.« Zum Teufel, so, wie die Dinge lagen, hätte es ihn auch nicht gestört, wenn die gesamte Nationalgarde vor ihrer Tür aufmarschiert wäre.
Nach all dem, was Alice durchgemacht hatte, hätte er mit Freuden sein Leben gegeben, wenn sie bloß nie wieder leiden musste.
»Ich schaue mir nachher mal dieses Tattoostudio an«, ließ Rowdy, der von Reeses finsteren Gedankengängen nichts ahnte, unbekümmert verlauten. »Und heute Abend treffe ich mich mit DeeDee. Hoffentlich können wir etwas Verwertbares herausfinden, ehe Cheryl wieder bei Alice anruft.«
Reese steckte in einer furchtbaren Zwickmühle. Einerseits hatte er noch nie im Leben vor einer Ungerechtigkeit die Augen verschlossen, andererseits löste Cheryls Hilferuf bei ihm ein geradezu übermächtiges Verlangen aus, Alice vor allem und jedem zu beschützen – und insbesondere vor
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