Vertraue nicht dem Feind
verfügte über Quellen, die außerhalb der Legalität lagen.
Und wenn sie nur aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in ihrer Vergangenheit so scheu war? Dann würde er sich dieses Problems annehmen. »Erstatte mir Bericht.«
»Ich erstatte niemandem Bericht.«
Reese spürte, wie ihm schon wieder der Geduldsfaden riss, hielt sich jedoch zurück. »Dann wäre vielleicht jetzt ein günstiger Zeitpunkt, damit anzufangen.«
Rowdy blickte Reese an. Spannung knisterte in der Luft. Dann grinste er. »Ja, ja, schon gut. Geh nicht gleich in die Luft. Ich wollte nur mal sehen, wie schnell du hochgehst.«
»Lass es lieber.«
Rowdy lachte wieder und schlug Reese auf die Schulter. Fest. »Sollte ich etwas rausfinden, werde ich dich einweihen. Du wirst es doch genauso halten, oder?«
Verflucht, das passte ihm überhaupt nicht. Allerdings konnte sich eine Allianz mit Rowdy durchaus als hilfreich erweisen. Er würde ihn einfach als Informanten betrachten, dessen spezielle Talente er nutzen konnte.
»Reese, wir sitzen in einem Boot. Sie ist eine verflixt gute Schauspielerin und gibt sich tapfer, aber in Wirklichkeit hat sie Angst. Ich will wissen, weshalb. Du auch. Und wir beide wollen sicherstellen, dass ihr nie wieder etwas passiert, wer oder was auch immer ihr Furcht einflößt.«
Reese beobachtete Cash dabei, wie er sich in einem Büschel Klee wälzte. »Na gut. Ich weihe dich in das ein, was ich bisher rausgefunden habe. Aber eins sollte dir klar sein: Alice ist tabu.«
»Für mich?«
Gott, wie er es hasste, sich erklären zu müssen. Normalerweise hielt er sich nicht damit auf, aber diese Sache war zu wichtig. »Das hat nichts mit dir zu tun«, erläuterte Reese. »Was mich angeht, so ist sie für jeden anderen Kerl außer mir tabu.«
Nachdem Rowdys Lachen verhallt war, informierte Reese ihn über Alices Entführung. Als die Männer sich schließlich trennten, waren ihre Mienen todernst.
Alice sah zum Seitenfenster hinaus. Die Bäume neigten sich im starken Wind, und die Straßen waren vom Regen überflutet. Die Scheibenwischer fuhren hektisch hin und her, und das Gebläse lief auf vollen Touren.
Der Wolkenbruch hatte sie auf halbem Weg zu Reeses Wagen erwischt und so blitzschnell durchgeweicht, dass sie nicht einmal die Gelegenheit gehabt hatten, einen Schirm zu öffnen. Alice versuchte erst gar nicht, ihr klitschnasses Haar zu richten, das sich bereits hoffnungslos zu kringeln begann.
Zum Glück trug sie kein Make-up, sonst wäre die Schminke mit Sicherheit zerlaufen.
Sie hatte sich umgezogen und trug einfache, flache Ballerinas und ein Sommerkleid mit dunklem Muster, das sie aufgrund seiner Schlichtheit und des Tragekomforts ausgewählt hatte. Doch jetzt, nachdem es nass geworden war, klebte es unangenehm an ihren Brüsten, ihrem Bauch und ihren Beinen. Trotz der Wärme im Auto hatte sie eine Gänsehaut an den Armen.
Dennoch genoss sie die Fahrt.
Es gelang ihr nur selten, sich zu entspannen, wenn sie sich außerhalb ihrer Wohnung aufhielt. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, nach Gefahrenquellen Ausschau zu halten und ihre Umgebung und die Menschen zu observieren, von denen sie sich oft fragte, weshalb sie so anders waren als sie selbst.
Und ob sich das Böse vielleicht schon unter diesen ganz normalen Menschen aufhielt.
Direkt vor den Augen der ahnungslosen Öffentlichkeit wurden Menschen verschleppt. Misshandelt. Missbraucht.
Gezwungen, Dinge zu tun, die sie nicht wollten.
Sie würde ihre Umgebung nie wieder unbeachtet lassen. Sie musste wachsam bleiben – für sich und für andere.
Doch an diesem gewittrigen Nachmittag waren nur wenige Menschen auf der Straße. Und noch besser: Sie saß im Auto neben dem stattlichen Polizisten Reese Bareden. Sie war vollkommen sicher.
Ein Blitz teilte den Himmel vor ihnen, und es begann, wie aus Eimern zu regnen.
Alice fühlte sich zufrieden, etwas träge und trotz des Unwetters draußen und ihrer durchnässten Kleidung viel zu wohl. Sie seufzte. »Ich liebe Gewitter.« Sie hatte sie schon immer sinnlich gefunden. Beruhigend. Der Inbegriff von Erneuerung.
»Ich auch«, knurrte Reese angespannt.
Er bremste ab. Eine Frau rannte mit einem kleinen Jungen an der Hand über die Straße. Dabei riss ihr eine Windböe beinahe den Schirm aus der Hand. Das Kind stapfte freudestrahlend durch die Pfützen. Die arme Frau freute sich weniger.
Alice verfolgte, wie die beiden schließlich in einem Restaurant verschwanden, und lächelte unwillkürlich.
»Magst du
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