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Vertraue nicht dem Feind

Vertraue nicht dem Feind

Titel: Vertraue nicht dem Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Foster
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vom Boden auf. Die Vögel begannen, wieder zu singen.
    »Du hast wahrscheinlich sowieso schon angefangen, meine Vergangenheit zu durchleuchten.«
    »Das stimmt.« Warum sollte er es leugnen? Sie wusste schließlich, dass er Polizist war.
    »Dann findest du es ohnehin heraus.« Ihre Schultern hoben sich, als sie tief einatmete. »Ich rede nicht gern darüber.«
    »Meidest du deshalb deine Familie?«
    Sie nickte. »Ich finde es unerträglich, sie mit meinen … Unannehmlichkeiten zu behelligen. Sie sind so glücklich. Es wäre unfair, sie mit schwerwiegenden Sorgen aus dem wahren Leben, einem Leben, das ich kennengelernt habe, zu belasten.«
    »Einem Leben mit Kidnappern?«
    Ein Regenbogen wölbte sich am Himmel. Der Wagen fuhr durch eine große Pfütze. Alice holte bebend Luft und sah ihn an. »Ein Leben mit Menschenhändlern.«
    Reese gefror das Blut in den Adern. Seine Hände krampften sich um das Lenkrad. »Das war er also?«
    »Er gab sich als dynamischer Geschäftsmann aus. In gewisser Hinsicht war er das wohl auch. Aber er hat Frauen verschachert.« Sie verstummte und kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Ich habe nur wenigen Menschen davon erzählt.«
    »Weil es eine so schlimme Geschichte ist?«
    Sie nickte. »Du bist Polizist. Du hast schon mit solchen Abscheulichkeiten zu tun gehabt und kannst damit umgehen.«
    »Richtig.« Aber ihre Familie konnte das ihrer Ansicht nach nicht? »Vergiss nicht, du kannst mir alles sagen.« Zur Hölle mit der emotionalen Distanz. Er suchte tastend ihre Hand und hielt sie fest. »Mich belastest du damit nicht.«
    Sie schloss die Finger um seine Hand. »Ich habe meiner Familie nur wenig erzählt, aber sie waren trotzdem völlig entsetzt. Meine Schwester bekam Albträume, meine Mutter weinte. Und mein Vater …« An ihren Wimpern hingen dicke Tränen, und ihre Stimme war schmerzerfüllt. »Mein lieber, süßer Vater hat sich die Hand gebrochen, als er vor Wut auf die Wand eingeprügelt hat.«
    Reese konnte es sich genau vorstellen. Zu oft hatte er es mit Vätern zu tun gehabt, die verkraften mussten, dass ihr Kind verletzt oder getötet worden war. »Ich wüsste nicht, wie ein Vater sonst reagieren sollte.« Ihre zitternden Atemzüge schmerzten ihn. »Das ist nicht deine Schuld, Schatz, sondern eine ganz natürliche, menschliche Reaktion.«
    »Nein, das ist der Verlust der Unschuld. Die Realität – eine Realität, der sich nur wenige gezwungenermaßen stellen müssen.« Sie entzog ihm sacht ihre Hand, setzte sich gerade auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich möchte nicht mehr darüber reden. Nicht jetzt.«
    Er musste unbedingt mehr erfahren. Er brauchte den Namen des Entführers, musste wissen, ob er seine gerechte Strafe erhalten hatte.
    Denn wenn dem nicht so war, dann würde er sich höchstpersönlich darum kümmern, dass derjenige zur Rechenschaft gezogen wurde.
    Er überdachte noch einmal alles, was sie ihm offenbart hatte, und versuchte, die einzelnen Puzzleteile zusammenzufügen.
    Ein widerwärtiger Menschenhändler hatte sie über ein Jahr lang dazu gezwungen, für ihn als Sekretärin zu fungieren. Unglaublich.
    Sie war nicht vergewaltigt worden. Sie hatte fliehen können. Bloß wie? Wer hatte ihr dabei geholfen?
    Sie hatten den Supermarkt fast erreicht. Alice zitterte am ganzen Leib. Wenn er sie weiter bedrängte, würde sie die Fassung, die sie sowieso nur mühevoll wahrte, endgültig verlieren. Der Polizist in ihm wusste, dass er in diesem Zustand die Antworten, die er brauchte, aus ihr herausbekommen würde. Menschen am Abgrund redeten wie ein Wasserfall.
    Aber er brachte es nicht übers Herz.
    Das konnte er Alice nicht antun.
    Er traf eine Entscheidung und griff wieder nach ihrer Hand. Ob sie wollte oder nicht, er brauchte diesen kurzen Körperkontakt. »Du kannst dich entspannen, Liebes. Wir belassen es vorerst dabei.«
    Sie ließ die verkrampften Schultern sinken und klammerte sich an seine Hand wie an einen Rettungsring. »Danke.«
    Reese kam sich wie ein Arschloch vor, als er ihre tiefe Dankbarkeit mit einem Nicken quittierte.
    Mist.
Er wollte so einiges von ihr, aber das nicht, und schon gar nicht, nach dem er sie so ausgequetscht hatte.
    Er fuhr auf den Parkplatz. Sie öffnete den Gurt, zögerte aber, bis er schließlich den Motor abstellte. Sie wirkte verunsichert. »Dir ist bewusst, dass es alles verändern wird, wenn du die ganze Geschichte erfährst.«
    Er erkannte, dass er langsam lernte, sie zu lesen und zu verstehen, was sie ungesagt

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