Vertraue nicht dem Feind
den Mund nehmen. In Anbetracht dessen, was Pepper durchgemacht hatte, und der Drohungen, die gegen sie ausgesprochen worden waren, begrüßte Alice seine Zurückhaltung. Pepper war mit Sicherheit eine starke Frau und eine Überlebenskünstlerin, aber nichtsdestotrotz waren die Erinnerungen für sie bestimmt qualvoll.
Alice kannte sich mit bösen Erinnerungen aus.
Die Männer begannen, über den Fall zu sprechen. Pepper schaltete sich hin und wieder ins Gespräch ein. Alice hielt sich weitgehend zurück.
Als sie endlich alles besprochen hatten, war Pepper noch immer nicht zufrieden. »Du kannst mit der Armschlinge doch nicht Auto fahren.«
»Reese holt mich ab«, behauptete er und sah seinen Kollegen auffordernd an.
»Klar, sofern Pepper endlich aufhört, mich für eine Sache anzugiften, für die ich nichts kann.«
Das besänftigte Peppers Missmut ein wenig. »Wie lange wirst du morgen weg sein?«
»Vielleicht ein paar Stunden, es könnte aber auch den ganzen Tag dauern.« Logan legte seinen unverletzten Arm um sie. »Das kommt ganz auf die Fragen an, die sie uns stellen, und die Antworten, die wir ihnen geben. Üblicherweise führt der Bezirksstaatsanwalt die Befragung durch, und ein Vertreter der Inneren Revision ist live per Videoübertragung zugeschaltet. Wenn der Staatsanwalt mit uns fertig ist, kann es durchaus sein, dass auch die IR noch Fragen an uns hat.«
»Wenn das so ist …« Pepper drehte sich zu Alice um. »Dann könnten wir unseren Einkaufstrip auf morgen vorverlegen. Was meinst du? Hättest du Zeit?«
Kein Problem, schließlich konnte sie sich ihre Arbeitszeit frei einteilen. Aber war sie auch schon bereit dafür?
Peppers folgende Worte gaben schließlich den Ausschlag für ihre Entscheidung. »Nachdem ich nicht mehr das Mauerblümchen spielen muss, brauche ich unbedingt was Neues zum Anziehen, und außerdem ist shoppen gehen eine gute Ablenkung.«
»Na gut, einverstanden.«
Reese wollte Einspruch einlegen, doch Logan schnitt ihm das Wort ab. »Tolle Idee.«
Rund um Alice herum wurden Pläne geschmiedet, und ehe sie sich versah, war auch schon alles arrangiert.
Alice begriff schlagartig, dass sie nicht nur Reese gestattet hatte, in ihr Leben einzudringen, sondern nun auch noch Logan und Pepper. Die herzliche Kameradschaft, die Reese und seine Freunde miteinander verband, ihre Offenheit und gegenseitige Anteilnahme, waren einfach ansteckend.
Obwohl sie die drei noch nicht lange kannte, bedeuteten sie ihr bereits so viel, dass sie sie auf keinen Fall wieder verlieren wollte. Doch wie üblich lag das nicht in ihrer Macht. Sobald sie von ihrer Vergangenheit erfuhren, würde sich alles ändern.
Lange konnte es nicht dauern, bis ihre Geheimnisse ans Tageslicht kamen. Schließlich waren Reese und Logan Polizisten.
Auf halber Strecke zurück zu Alices Wohnung ließ der Wolkenbruch nach und verwandelte sich in leichten Nieselregen. Alice saß schläfrig und matt neben Reese im Wagen.
Entspannt.
Zumindest hoffte Reese das.
Er freute sich, dass sie sich mit Pepper so gut verstand, doch dass die beiden zusammen losziehen wollten, beunruhigte ihn.
Logan hatte sie auch noch dazu ermutigt, ohne überhaupt genau zu wissen, welche gemeinsamen Unternehmungen die beiden planten.
Vielleicht hatte er Glück, und Rowdy konnte die beiden im Auge behalten. Er würde ihn später kontaktieren, wenn Alice es nicht mitbekam.
»Woran denkst du?«, fragte sie. »Du bist so schweigsam.«
»Ich habe über euren Einkaufsbummel nachgedacht.«
Sie lächelte. »Ich war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr mit einer Frau shoppen.« Sie spielte abwesend mit dem welligen Saum ihres Kleides. »Ich habe früher viel mit meiner Schwester unternommen. Das letzte Mal, als wir zusammen einkaufen waren, haben wir für sie ein Kleid für den Abschlussball ausgesucht.«
Wie so oft brachte ihn das, was Alice nicht sagte, ins Grübeln. »Eure Mutter war nicht dabei?«
»In diesem Fall nicht. Meine Eltern waren auf Geschäftsreise. Sie dachte, sie würde zu Hause nichts verpassen, da meine Schwester eigentlich beschlossen hatte, nicht zum Abschlussball zu gehen. Doch dann wurde sie plötzlich von einem ganz besonderen Jungen eingeladen, und wir mussten Hals über Kopf alles organisieren. Das Kleid war wunderschön, und an jenem Abend sah sie einfach umwerfend aus.«
Wenn sie solche rührenden Geschichten erzählte, fiel es Reese schwer, an die dunklen Geheimnisse zu denken, die sie verbarg. »Du bist älter als
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