Vertraue nicht dem Feind
ließ. »Du meinst meine Gefühle für dich?«
»Ja.« Sie wirkte plötzlich befangen. »Wie immer die auch aussehen mögen.«
Seine Gefühle waren vielfältig, ungewohnt, verwirrend. »Das wage ich zu bezweifeln. Aber wir werden ja sehen.« Er beugte sich zu ihr und strich sanft mit den Lippen über ihren Mund. »Und in der Zwischenzeit könntest du vielleicht versuchen, mir zu vertrauen. Okay?«
Statt einer Antwort berührte sie ihre Lippen mit den Fingerspitzen, atmete tief aus – und stieg aus dem Auto. Reese kam kaum hinterher.
Ihn beschlich der Verdacht, dass Alice ihm wohl grundsätzlich immer einen Schritt voraus war.
8
Es war zu albern, aber je näher die Schlafenszeit rückte, desto nervöser wurde sie.
Teilweise aufgrund der Dinge, die sie Reese anvertraut hatte.
Doch hauptsächlich wegen all dem, was sie ihm verschwieg.
Reese benahm sich wie immer – ein bisschen unverschämt, viel zu zuvorkommend, sexy und in jeder Hinsicht einfach wundervoll.
Er half beim Kochen. Er ging ihr beim Aufräumen in der Küche zur Hand. Er spielte mit Cash, während sie den Anrufbeantworter abhörte und ihre E-Mails checkte.
Mit Lichtgeschwindigkeit hatte er sich einen festen Platz in ihrem Leben erobert.
Alice spürte, dass sie mehr wollte. Mehr als nur eine lockere Beziehung. Mehr als Sex.
Etwas Langfristiges.
Aber ein Mann wie Reese würde in einer Beziehung auf Offenheit bestehen – und die Dinge, die sie zu erzählen hatte, würden ihn mit ziemlicher Sicherheit vergraulen.
Was für eine Zwickmühle. Ein echter Balanceakt.
Alice hörte, dass Reese mit Cash von draußen zurückkehrte, und fuhr den Computer herunter. Sie lauschte mit gespitzten Ohren, wie er die Tür abschloss und leise mit dem Hund sprach.
Seine Schritte ertönten auf dem Flur.
Noch immer hatte sie keinen Entschluss gefasst, wie es weitergehen sollte. Sie drehte sich auf ihrem Bürostuhl zur Tür um, voller Vorfreude darauf, ihn zu sehen – und da war er auch schon. Cash folgte ihm, doch Reese hielt ihn zurück.
»Ich musste ihm die Pfoten abwaschen. Draußen war es matschig. Ich habe zwar versucht, sie abzutrocknen, aber das ist leichter gesagt, als getan.«
»Das macht nichts«, beruhigte ihn Alice lächelnd. Bei dem Gefühlswirrwarr in ihrem Inneren kam ihr Cash mit seiner vorbehaltlosen, hündischen Liebe genau recht. Sie klopfte auf ihren Oberschenkel, und Cash lief sofort zu ihr.
Reese blieb an den Türrahmen gelehnt stehen und schob die Hände in die Taschen. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. »Er tut fast so, als hätte er dich schon seit Tagen nicht mehr gesehen und nicht erst ein paar Minuten.«
Alice vergrub die Finger in Cashs seidigem Fell und drückte ihn. »Er ist der liebste Hund, den es gibt.«
»Oder du stellst keine hohen Ansprüche.« Reese trat ins Zimmer. »Stören wir dich bei der Arbeit?«
»Nein, ich bin gerade fertig.«
Reese hob einen Briefbeschwerer aus Kristallglas auf, der wie eine Rose geformt war.
Für immer Schwestern
war darauf eingraviert. »Sehr hübsch.«
»Meine Schwester hat ihn mir geschenkt«, erläuterte sie überflüssigerweise.
»Gab es einen besonderen Anlass?«
Alice verspürte ein nervöses Kribbeln. »Sie hat ihn mir gegeben, als ich nach Hause kam.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie drückte Cash fester an sich. »Nach der Entführung.«
Der Hund winselte und legte den Kopf in ihren Schoß, als hätte er jedes Wort begriffen.
»Verstehe.« Reese stellte die Glasrose auf den Schreibtisch zurück und sah sich im Zimmer um. »Erzähl mir ein bisschen über das, was du tust.«
»Du meinst, was ich als virtuelle Assistentin mache?«
»Ja. Darunter kann ich mir nur wenig vorstellen.«
Also wollte er sie vorerst nicht wieder mit Fragen über ihre Vergangenheit löchern? Ihre Anspannung ließ etwas nach, und sie atmete ruhiger. Ihre Arbeit war ein ungefährliches, angenehmes Terrain. »Ich mache eine ganze Menge.«
»Zum Beispiel?«
»Programmgestaltung, Marketing, Werbung. Ich texte Präsentationen oder manage Terminkalender, erledige die Ablage, übernehme die Planung von Geschäftsreisen oder helfe manchmal sogar kleineren Unternehmen bei der Markenentwicklung.«
Reese blieb vor der Wanduhr stehen. Es war schon fast halb elf.
Schlafenszeit.
Er ging zum Aktenschrank und las die Namen auf jeder einzelnen Schublade. »Du bist ja ein richtiger Tausendsassa.«
Wonach suchte er? Was war an einem gewöhnlichen, verschlossenen Aktenschrank so spannend? »In der Regel kann
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