Vertraue nicht dem Feind
Transporters wurde geöffnet, und eine junge Frau stieg aus. Bevor sie auch nur zwei Schritte gegangen war, stand schon der Fahrer des Pick-ups vor ihr. Am rechten Arm trug sie eine dicke Bandage, die lose mit Leukoplast verklebt worden war. Von dem Verband abgesehen sah sie normal aus. Sie trug Jeans und ein schönes Trägertop, und ihr langes, braunes Haar war ordentlich frisiert.
Doch aus irgendeinem Grund, den Alice selbst nicht benennen konnte, schlug ihr das Herz plötzlich bis zum Hals.
Der Truckfahrer beugte sich zum Beifahrerfenster des Transporters und sagte etwas. Das Mädchen hielt er dabei am Ellbogen fest. Er lächelte, und obwohl Alice kein Wort verstehen konnte, hörte sie in ihrem Kopf die schrecklichsten Dialoge.
Wie sie sie schon einmal gehört hatte. Gewisse Arrangements. Absprachen.
Zugegeben, für einen unbeteiligten Zuschauer mochte es so wirken, als wäre der Mann der Frau nur beim Einsteigen in seinen Pick-up behilflich.
Doch Alice sah etwas anderes.
Warum stieg sie von einem Transporter in einen Pick-up um? Warum auf einem Parkplatz? Was war mit ihrem Arm passiert?
Obwohl sie sich verzweifelt einzureden versuchte, dass sie überreagierte, schaffte sie es nicht, das ungute Gefühl in ihrer Magengrube zu besänftigen. Schließlich gab sie es auf. Sie wartete, bis der Transporter anfuhr, legte wieder einen Gang ein und hängte sich an den Truck. Sie folgte ihm in einiger Distanz und achtete penibel darauf, dass sich immer mindestens zwei Fahrzeuge zwischen ihnen befanden. Dabei beobachtete sie den Fahrer und die Beifahrerin durch die Heckscheibe und achtete auf ihre Körpersprache.
In ihrem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken.
All ihre Sinne waren in Aufruhr, ihr Magen rumorte, ihr Mund war ausgetrocknet.
Gewisse Möglichkeiten kamen ihr in den Sinn, heraufbeschworen von Erinnerungen an Dinge, die sie gesehen, an denen sie sich widerwillig beteiligt hatte. Durchwoben von neu entdeckter Entschlossenheit siegten ihre dunklen Ahnungen schließlich über alle Vernunft und Vorbehalte. Cash war in ihrer Wohnung in Sicherheit. Pepper war losgefahren. Logan und Reese verließen wahrscheinlich gerade gemeinsam das Polizeirevier.
Sie musste sich um niemanden Sorgen machen – außer um die junge Frau im Kleintransporter.
Sie umklammerte das Lenkrad, um sich zu beruhigen und besser nachdenken zu können. Das äußerliche Zittern legte sich, doch ihre Nerven lagen blank.
Der Truck fuhr in entgegengesetzter Richtung zu ihrem Heimweg, führte sie weiter und weiter fort von ihrer Zuflucht, ihrem selbst erwählten Exil, ihrem einsamen Hafen.
Durch eine Seitenstraße nach der anderen ging es in Richtung der weniger vornehmen Stadtviertel.
Zweimal hätte Alice den Truck fast verloren. Sie schloss ein wenig weiter auf und empfand dabei aus einer Vielzahl von Gründen Todesangst. Sie versuchte, logisch zu denken und für alle Eventualitäten Pläne zu schmieden, doch immer wieder schlichen sich Zweifel ein, und sie musste an Reese denken.
Sie machte sich keine Illusionen darüber, was er dazu sagen würde, dass sie sich möglicherweise in Schwierigkeiten brachte. Allerdings war ihre Beziehung noch recht frisch. Da war es doch nur natürlich, dass man seine gegenseitigen Grenzen auslotete, oder?
Bis jetzt hatte zumindest noch keiner von ihnen Bedingungen geäußert.
Handle dir keine Schwierigkeiten ein.
Als ob er das tatsächlich ausdrücklich hätte von ihr fordern müssen.
Sie wollte ihn nicht anlügen müssen. Sicher würde er Fragen stellen. Sie war schon den ganzen Tag unterwegs, und inzwischen wurde es Zeit fürs Abendessen. Außerdem hatte Pepper Logan bereits Bescheid gegeben, dass sie sich auf dem Heimweg befand, und so rechnete Reese damit, sie bei seiner Rückkehr in der Wohnung anzutreffen.
Wenn er denn ohne Umwege direkt nach Hause fuhr.
Nach Hause
. So durfte sie nicht denken, denn augenblicklich war das Arrangement, das sie getroffen hatten, noch alles andere als konkret.
Ihre Handflächen schwitzten, ebenso ihr Nacken. Mit jeder Meile, die sie zurücklegte, wurden die Wohnviertel schäbiger. Alice wusste, dass das nicht viel zu bedeuten hatte. Die Monster krochen überall aus ihren Ecken, bei den Reichen oder Armen, im Geschäftsleben oder im Alltag.
Sie passierten eine Bushaltestelle. Alices Mut sank. In der Mittagshitze waren nur wenige Leute auf der Straße unterwegs. Überhaupt wirkte die ganze Gegend ziemlich verlassen.
Der Fahrer bog um eine Ecke. Die Straße war
Weitere Kostenlose Bücher