Vertrauen
anders aus. Es ist umfangen von Gottes Liebe. Es darf so sein, wie es ist. Aber durch die Liebe Gottes und durch meinen eigenen wohlwollenden Blick wird es verwandelt. Es verliert das Bedrohliche. Es darf sein. Aber es hat keine Macht mehr über mich. In der Begegnung mit dem Gott, der mich bedingungslos annimmt,kann ich die Stille aushalten. Wenn ich gnadenlos nur mit mir selbst konfrontiert wäre, würde ich wohl davonlaufen. Es fiele mir schwer, die Stille auszuhalten.
Es sind verschiedene Erfahrungen, die ich in der Stille mache. Manchmal habe ich das Gefühl, Gott schaut mich an. Und unter seinen Augen darf ich sein, wie ich bin. Ein andermal sehe ich Gott nicht als Gegenüber. Ich bin in der Stille einfach eins mit mir selbst. Und in dieser Einheit fühle ich mich zugleich eins mit allem, was ist, eins mit der Schöpfung, eins mit den Menschen und eins mit dem Urgrund allen Seins, mit Gott. In dieser Erfahrung des Einsseins steht die Zeit still. Es sind tiefe Augenblicke des Glücks, die in der Stille möglich sind.
Ich muss die Stille nicht machen. Sie ist schon da. Wenn ich durch Wälder wandere, abseits der Straßen, dann umgibt mich die Stille. Ich muss sie nur wahrnehmen. Dann wird sie mich heilend umhüllen und auch meine Seele still machen. Aber die Stille ist nicht nur außerhalb. Sie ist auch in mir. Die Mystiker sind davon überzeugt, dass in uns ein Raum der Stille ist, in dem Gott wohnt. Wir müssen die Stille nicht schaffen. Sie ist in uns. Aber wir sind oft von ihr abgeschnitten. Daher ist es gut, in der äußeren Stille den inneren Raum des Schweigens in sich zu entdecken und sich dorthin zurückzuziehen. In diesen Raum der Stille können die Menschen mit ihren Erwartungen und Ansprüchen, mit ihren Urteilen und Beurteilungen nicht vordringen. Dort kann niemand mich verletzen. Zu diesem Raum der Stille haben auch die eigenen Gedanken und Gefühle, meine Ängste, meine Sorgen, meine Selbstentwertungen und Selbstverurteilungen keinen Zutritt.
Im Schutz der Rituale
D as Ziel des rechten Maßes ist die Ruhe der Seele, die innere Ausgeglichenheit, der Einklang mit mir selbst. Doch das erreiche ich nur, wenn ich alles in mir richtig ordne. Rituale sind eine solche Möglichkeit, meine Seele zu ordnen.
Im Ritual halte ich inne. Rituale sind immer etwas Handfestes. Ich nehme etwas in die Hand. Ich zünde eine Kerze an. Ich mache eine Gebärde. Ich setze mich hin, um ein Buch zu lesen. Oder ich schweige einige Augenblicke. Ich meditiere. Die Rituale geben mir das Gefühl, dass die Zeit mir gehört. Sie geben am Morgen dem Tag ein anderes Gepräge. Ich spüre nicht die Last der Zeit, sondern ihr Geheimnis. Nicht die Zeit überfällt und bestimmt mich, sondern ich forme und präge sie. Ich nehme mir ein Stück Zeit, um dem Terror der mich aussaugenden Zeitansprüche zu entrinnen.
Rituale sind Augenblicke, in denen ich ganz bei mir bin und möglicherweise ganz bei Gott. Sie sind Tabuzonen, ein Schutzraum, zu dem die Menschen mit ihren Erwartungen keinen Zutritt haben. Sie geben mir das Gefühl, dass ich selbst lebe, anstatt gelebt zu werden. Die Rituale brauchen nicht viel Zeit. Aber sie sind Haltepunkte während der Zeit. Während des Rituals steht die Zeit still. Da hört die Zweckbestimmung der Zeit auf. Ich gönne mir das Ritual. Ich komme mit mir in Berührung. Ich kann aufatmen.
Lass dein Ego los
J eder von uns hat auf dem Weg der Selbstwerdung sein Kreuz auf sich zu nehmen und zu tragen. C. G. Jung nennt die Kreuztragung einmal „ein passendes Symbol der Ganzheit“ und formuliert an anderer Stelle: „Jeder einzelne Mensch, der auch nur annähernd seine eigene Ganzheit sein möchte, weiß genau, dass sie eine Kreuztragung bedeutet.“ (C. G. Jung, Gesammelte Werke, Band 11, Zürich 1963, 195)
Sein Kreuz zu tragen, das ist also eine existentielle Aufgabe. Lukas hat das Nachfolgewort um eine Nuance erweitert: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“ (Lk 9,23-25) Der Evangelist versteht also die Annahme des Kreuzes als tägliches Geschehen und alltägliche Aufgabe. Täglich durchkreuzt etwas meinen Weg. Jeden Tag widerfährt mir etwas, was meinen eigenen Vorstellungen nicht entspricht. Das gilt
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