Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vertrauen

Titel: Vertrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
Vom Netzwerk:
dem andern zwei Talente und dem letzten ein Talent. Die beiden ersten gehen hin und wirtschaften mit ihren Talenten. Sie verdoppeln sie. Der dritte jedoch geht hin und vergräbt sein Talent. Anstatt auf die Gaben zu schauen, die er empfangen hat, sieht er auf die beiden Mitknechte. Und da hat er den Eindruck, dass er zu kurz gekommen sei, dass er gar keine Chance habe, sie mit seinem Wirtschaften zu übertreffen. Das Gefühl der Minderwertigkeit erzeugt Angst. Von dieser Angst könnte uns nur der Blick auf Gott erlösen, der uns mit unserem Leben und mit Gaben beschenkt hat, die nur wir vorzuweisen haben. Doch sobald wir uns mit andern vergleichen, erscheinen uns auch diese Gaben als nicht vorzeigbar. Der dritte Knecht vergräbt also sein Talent, weil er Angst hat, er könne etwas von dem ihm anvertrauten Geld verlieren. Aber genau damit begeht er den größten Fehler. Als er mit seinem vergrabenen Talent zu seinem Herrn gerufen wird, erklärt er den Grund seines Verhaltens: „Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.“ (Mt 25,24 f) Weil der dritte Knecht Angst hat vor der Bewertung seines Handelns, versteckt er sein Talent. Auf diese Weise kann er nichts verlieren. Es wird im Gleichnis nicht gesagt, wie der Herr auf die Knechte reagiert hätte, wenn sie bei ihrem Wirtschaften alles verloren hätten. Nichtihr Erfolg wird belohnt, sondern ihr Vertrauen, mit dem, was ihnen der Herr anvertraut hatte, kreativ umzugehen. Nur wer ein Risiko eingeht, kann die Talente verdoppeln. Doch das Risiko bedeutet immer auch, dass ich verlieren könnte. Der dritte Knecht will nicht verlieren. Ihm geht es in erster Linie darum, vor dem Herrn korrekt und fehlerlos dazustehen. Auf die religiös-existentielle Situation hin gewendet: Er hat Angst, von Gott verurteilt zu werden, weil er etwas falsch gemacht hat. Aus Angst vor einem Versagen macht er lieber gar nichts. Doch solche Angst lässt uns am Ende mit leeren Händen vor Gott stehen. Wir haben nichts vorzuweisen.
    Der dritte Knecht sieht in Gott einen strengen Herrn. Weil der streng ist, geht der Knecht auch mit sich selbst streng um. Das Selbstbild und das Gottesbild ähneln sich. Die Strenge Gottes erzeugt im Knecht nicht nur Strenge sich selbst gegenüber, sondern auch Aggression. In den Worten, mit denen der Knecht dem Herrn sein Geld zurückgibt („Hier hast du es wieder“), spüren wir noch die Aggression gegenüber Gott heraus, aber auch die Aggression gegen sich selbst. Dieser dritte Knecht ist hart mit sich umgegangen. Er hat sich nichts erlaubt. Er hat ein Loch in die Erde gegraben und das Geld seines Herrn darin versteckt. Jesus hätte ein kreativeres Wirtschaften mit dem Talent erwartet. Psychologisch gedeutet: Der Knecht ist nicht liebevoll mit seinem Leben umgegangen. Er hat es vergraben. So kann nichts in ihm aufblühen. Er verkümmert. Er hindert sich selbst am Leben. Ja, er verbietet sich das Leben. Autoaggression und Aggression gegen den strengen Gott halten ihn beide vom Leben ab.
    Viele Bibelleser ärgern sich über die harte Reaktion des Herrn gegenüber dem dritten Knecht: „Sein Herr antworteteihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.“ (Mt 25,26-30) Jesus schildert dem dritten Knecht hier die Konsequenzen seiner Angst. Wer aus dieser Angst heraus lebt, steht am Ende mit leeren Händen da. Da wird ihm selbst das noch genommen, was er voller Angst vergraben hat. Wenn er an diesem Angst machenden Gottesbild festhält, wird sein Leben zur äußersten Finsternis. Dann gibt es kein Licht mehr in seinem Leben und keine Freude. Sein Leben wird zu einem Heulen und Zähneknirschen. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Wer vor Gott alle seine Gefühle und Gedanken, seine Leidenschaften und Taten kontrollieren möchte, der wird nachts von

Weitere Kostenlose Bücher