Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
mit ihr eins war durch ihre mächtige Verbindung zueinander. Sie spürte, wie seine Kraft in ihr lebte, und hoffte, dass er auch ihre spüren konnte.
Tess drückte Mira leicht die Hand und machte Anstalten, sich abzuwenden.
»Woher weißt du das?«, murmelte Mira und erkannte erst jetzt, was die Stammesgefährtin ihr eben gesagt hatte. »Tess, warum bist du so sicher, dass ich mein Augenlicht nicht mehr verliere, wenn ich meine Gabe benutze?«
Und da wusste sie es.
All die Euphorie, die Mira eben noch erfüllt hatte, verpuffte schlagartig, und vor Reue wurde ihr das Herz bleischwer. »Oh Gott. Tess … du hast mir eben in die Augen gesehen.«
Besorgnis überflutete sie und die anderen Frauen, die sich jetzt alle der Heilerin zuwandten. Tess war seltsam still und nachdenklich geworden, seit Mira wieder sehen konnte. Jetzt verstand Mira auch warum.
»Tess, es tut mir so leid.« Sie wäre untröstlich, wenn ihre Sehergabe wieder erwacht war, nur um die Frau zu verletzen, die ihr geholfen hatte. »Was hast du gesehen? Bitte sag mir, dass es nichts Schlimmes war.«
»Nein«, antwortete Tess ruhig und freundlich. »Gar nichts Schlimmes.«
»Sagst du’s mir nicht?« Mira konnte die Sorge nicht bezwingen, die ihr immer noch auf der Seele lag. »Denn wenn ich dir wehgetan habe –«
Tess schüttelte langsam den Kopf. Ihr Mund kräuselte sich hinter den Fingern, die sie an die Lippen hielt, und in ihren Augen flackerte ein heimliches Lächeln auf. Sie streckte die Hand aus und nahm Miras Hände. »Deine Gabe ist etwas absolut Außergewöhnliches, Mira. Kein Fluch. Sie ist vielleicht nicht immer gnädig zu uns, aber manchmal … manchmal ist sie wunderschön.« Dann umarmte Tess sie liebevoll und ohne Eile, legte ihr den Mund nah ans Ohr und flüsterte: »Danke, dass du mir die unglaubliche Familie gezeigt hast, die mein Sohn einmal haben wird. Ich wünschte nur, meine Gabe könnte dir dasselbe Wunder bringen wie deine eben mir.«
»Ich auch«, sagte Mira und umarmte Tess zurück.
Wieder begann ihr alles vor den Augen zu verschwimmen … aber nicht weil sie blind war, sondern von aufsteigenden Tränen.
Der GN -Vorsitzende Charles Benson musste sich durch eine krakeelende Demonstrantenmeute vor dem Tor seines Anwesens kämpfen, als er von der Pressekonferenz am frühen Morgen zurückkehrte, wo er die Verhaftung des Rebellenführers bekannt gegeben hatte, der Jeremy Ackmeyers Entführung Anfang der Woche zu verantworten hatte. Bowmans schnelle, verdeckte Verhaftung durch den Orden war eine willkommene Neuigkeit und kam genau zur rechten Zeit – am heutigen Tag würde der Friedensgipfel eröffnet.
Aber es war die andere Neuigkeit in Verbindung mit der Verhaftung des Rebellen gewesen – dass es sich bei diesem Schurken nicht um einen Menschen, sondern um einen Stammesvampir und außerdem um ein ehemaliges Mitglied des Ordens handelte –, die alle überrascht hatte, einschließlich Benson.
Die öffentliche Empörung hatte sich durch diese Neuigkeit verdoppelt. Auf den Transparenten der Demonstranten draußen vor Bensons Anwesen wurde der Gipfel als Farce, vereinzelt sogar als Geschäft mit dem Teufel bezeichnet. Andere, beunruhigendere Transparente richteten sich gegen Benson persönlich, stellten ihn als Marionette dar, die an Fäden tanzte; Fäden, die eine Karikatur von Lucan Thorne hielten, die langen Fänge gebleckt und geifernd, mit geschlitzten Katzenaugen voll irrer Schadenfreude.
Sobald die Menge den heimkehrenden Benson entdeckte, schwollen Lautstärke und Feindseligkeit ihrer Verhöhnungen von herzhaftem Gebrüll zu ohrenbetäubendem Lärm an. Erkannten diese Leute etwa nicht, dass er auf ihrer Seite stand? Verstanden sie nicht, dass er bereit gewesen war, alles zu opfern – zu viel, wie sich herausgestellt hatte –, um einen wahren Frieden zu sichern, für alle, die diesen Planeten mit ihm bewohnten?
Benson stieg hastig aus seinem Wagen und eilte mit geducktem Kopf durch das Gejohle über die gepflasterte Einfahrt ins Haus. Dort angekommen, ließ er sich mit einem langen Seufzer gegen die schwere Eichentür sinken.
Die Demonstranten waren ein neues Problem für ihn. Oh, es war ihm bekannt gewesen, dass vor dem Ordenshauptquartier ständig ein Pulk Querulanten Hassparolen skandierte, aber dass der Aufruhr und die Wut jetzt auch auf andere GN -Mitglieder übergriffen – direkt vor seine Haustür –, war ein Problem, dem er sich gerade nicht gewachsen fühlte. Auch konnte er sich diese Negativ- PR
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