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Vertraute der Sehnsucht (German Edition)

Vertraute der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Vertraute der Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian
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Augenlidern zu liegen kamen – Tess machte eine übersinnliche Anamnese. Sie hatte ihr Gesicht in die Hände genommen, die Fingerspitzen an ihren Schläfen gespreizt, und auf ihrem Kopf begannen sich schmale Wärmestreifen auszubreiten. Die Hitze ihrer Berührung strahlte weiter aus und wurde stärker, winzige Energieströme flossen über Miras Kopfhaut.
    Und in ihren geschlossenen Augen, wo Tess’ Daumen ruhten, breitete sich eine stärkere Hitze aus. Zwei sanfte, winzige Lichtpunkte glommen auf und entzündeten sich langsam zu einem durchdringenden, blutroten Schein. Mira zuckte zusammen, als die Helligkeit hinter ihren Lidern so intensiv wurde, dass sie dachte, ihre Hornhäute würden verbrennen.
    »Tu ich dir weh?«, fragte Tess leise. Sie zog die Hände weg, und schlagartig war das Licht fort. »Wenn es zu unangenehm ist, höre ich lieber auf. Wir können das auch ein andermal probieren –«
    »Nein«, sagte Mira und schüttelte heftig den Kopf. »Bitte, mach weiter. Da ist eben was passiert.«
    Tess machte sich wieder an die Arbeit und Mira ertrug die irritierende Hitze und das Licht, das ihr Gesichtsfeld und ihren ganzen Schädel erfüllte. Mit der einen Hand klammerte sie sich an Renatas Hand wie an eine Rettungsleine, mit der anderen krallte sie sich in die seidene Bettdecke.
    Tess’ magische Kraft flammte hell wie ein Blitz in ihren Adern, in ihren Knochen und Zellen auf und explodierte hinter ihren Augen. Als sie schon dachte, sie könnte es keine Sekunde länger aushalten, verdoppelte sich die Intensität. Dann noch einmal.
    Und dann war es einfach … fort.
    Eine kühle, weiße Ruhe legte sich über sie, als wäre ein heftiger nächtlicher Sturm einem freundlichen, heiteren Sonnenaufgang gewichen.
    Mira sackte nach vorne, keuchend vor Erschöpfung. Sie fühlte die Blicke der anderen Stammesgefährtinnen auf sich ruhen, als sie um ihren Atem kämpfte und versuchte, ihr rasendes Herz zu beruhigen.
    Tess hob sanft ihr Kinn an. »Mach die Augen auf.«
    Ihre Augenlider fühlten sich wie zugeklebt an, aber als sie sie vorsichtig öffnete, sickerte der gelbe Lichtschein einer Nachttischlampe in ihr Blickfeld. Schatten nahmen klarere Konturen an und verschwanden dann ganz. Verblüfft blinzelte sie zu Tess auf. Sie konnte wieder sehen!
    Überwältigt von Staunen und Dankbarkeit starrte sie sie an, nahm den Anblick der ultramarinblauen Augen und der langen honigblonden Locken der hübschen Stammesgefährtin in sich auf. Tess nickte und sah sie weiter an, während Mira zu begreifen versuchte, dass sie nicht mehr blind war.
    »Oh mein Gott.« Miras Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, ihr fehlten die Worte. Sie sprang auf und zog die Heilerin in eine enge Umarmung. »Tess, danke.«
    Dantes Gefährtin nickte. Ihr mildes Lächeln hatte etwas Wehmütiges, als sie zurücktrat, um Mira Platz zum Atmen zu geben.
    Und den brauchte sie auch. Denn sofort fand sie sich im Mittelpunkt der freudigen, erleichterten Stammesgefährtinnen im Raum. Renata war die Erste, die sie umarmte, ihre jadegrünen Augen waren tränennass, als sie Mira wild an sich drückte. Nacheinander folgten die übrigen Frauen, überschütteten Mira mit so viel Liebe, dass ihr fast das Herz zersprang.
    Sie war so überwältigt, dass sie erst einen Augenblick später realisierte, dass ihre Augen ungeschützt waren. Sie riskierte nicht nur, Tess Arbeit zunichtezumachen, sondern ihre schreckliche Gabe gefährdete auch alle Anwesenden im Raum. »Meine Linsen«, stieß sie hervor. Panik stieg in ihr auf, und sofort blickte sie zu Boden, um Blickkontakte zu vermeiden. »Hat jemand meine Linsen?«
    »Hier sind sie«, antwortete Tess. Sie legte den Behälter in Miras Hand, ihre Stimme war ruhig. »Aber ich glaube, du brauchst sie nicht mehr. Jedenfalls nicht, um dein Augenlicht zu schützen.«
    »Was meinst du?« Mira setzte trotzdem die Kontaktlinsen ein, bevor sie in Tess sanften Blick aufsah. »Willst du mir damit sagen, dass du mich für immer geheilt hast?«
    »Ich habe dein Augenlicht wiederhergestellt, aber was deine Gabe stärkt, ist die Blutsverbindung. So war es bei uns allen«, erklärte Tess. »Kellans Blut konnte den Schaden nicht rückgängig machen, aber deine Blutsverbindung ist stark und verstärkt deine übersinnlichen Kräfte.« Tess lächelte warm. »Das spürst du doch, nicht?«
    Das tat sie wirklich.
    Es war ganz leicht für sie, das stetige Summen in ihren Adern zu erkennen, das ihr sagte, dass Kellan am Leben war, ihre Sinne speiste,

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