Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
aufnehmen.
Aber es waren nicht der Orden oder die Menschen, die zwischen ihnen standen.
Es war das Schicksal.
Das Schicksal hatte vor acht Jahren seinen Anspruch auf Kellan angemeldet, und jetzt war die Zeit gekommen, wo es sich erfüllen würde. Tief in ihrem Herzen wusste Mira, dass gegen diesen mächtigen Feind kein Kampf und keine Flucht der Welt etwas ausrichten konnten.
Aber das ließ sie die Aussicht auf das, was ihnen bevorstand, nicht leichter akzeptieren.
Obwohl sie nur die schattenhaften Schemen der Stammesgefährtinnen sehen konnte, die mit ihr im Raum versammelt waren, hörte Mira ihre Stimmen nahe bei ihr. Hörte, wie mehrere Frauen leise schniefend mit den Tränen kämpften, nachdem sie ihnen alles berichtet hatte, was bei ihrem viel zu kurzen Wiedersehen mit Kellan geschehen war.
»Ich bin froh, dass es weg ist«, murmelte sie in den stillen Raum. »Mein Sehvermögen. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, meine Visionen zu dämpfen, dann war es mir das wert.«
»Sag das nicht, Maus. Das ist nicht dein Ernst.« Renata saß neben ihr auf dem Bett und hielt tröstlich und beschützend Miras Hand. Die Stammesgefährtin, die sie als kleines Waisenmädchen gerettet und wie ein eigenes Kind unter ihre Fittiche genommen hatte, war ebenfalls eine erfahrene Kriegerin – die erste Frau, die dem Orden beigetreten war. Die knallharte, tödliche Renata, die sonst nichts erschüttern konnte, hatte kaum ein Wort gesagt, seit Mira mit Kellan und den anderen bei ihnen angekommen war.
Sie hatte Angst. Mira spürte es im Schweigen der schwangeren Stammesgefährtin und am leisen Zittern ihrer Finger, als sie Miras Hand hielt.
Während Nikolai seine Sorge um Mira und seine Verachtung für Kellans Rolle beim Geschehen wütend und offen gezeigt hatte, war Renatas stille, tief betrübte Angst noch schwerer zu ertragen.
»Schau doch, wie viel Schmerz ich verursacht habe«, sagte Mira. »Meine Sehergabe ist an allem schuld, Rennie. Sie war ein Fluch, der nie etwas Gutes gebracht hat.«
»Nein«, antwortete Renata. »Das stimmt nicht.« Sanfte Finger auf Miras Kinn drehten ihr Gesicht zu ihrer Mutter herum. »Du hast Niko gezeigt, dass er und ich ein Paar sein würden, weißt du nicht mehr? Und davor hat deine Gabe Hunter einen Hoffnungsschimmer gegeben und damit nicht nur dein Leben gerettet, sondern auch seines. Es war auch viel Gutes zusammen mit dem Schlimmen. Wünsch dir das nicht auch weg.«
Mira wehrte sich nicht gegen die sanften, liebevollen Arme, die sich um sie schlossen. Sie legte die Hand leicht auf Renatas schwangeren Bauch und lächelte zögerlich, als sie den heftigen Kick eines winzigen Fußes an ihrer Handfläche spürte. Ihr zukünftiger kleiner Bruder war schon eifersüchtig über die elterliche Zuwendung, die er mit ihr teilen musste.
Sie wollte das Kind eines Tages sehen. Sie wollte Rennie und Niko sehen, wie sie ihren neugeborenen Sohn hielten, der zweifellos genauso kühn und draufgängerisch wie seine Eltern sein würde.
Und sie wollte Kellan wiedersehen.
Er war nicht mehr hier im Anwesen; Renata hatte ihr gesagt, dass JUSTIS Kellan vor kurzer Zeit verhaftet hatte, aber Miras Blutsverbindung hatte ihr schon intuitiv gesagt, dass er nicht mehr mit ihr unter einem Dach war. Jetzt von ihm getrennt zu sein war quälend genug, aber wenn ihr Sehvermögen nie wieder zurückkehrte – wenn sie nicht wenigstens eine letzte Chance bekam, mit ihm zusammen zu sein, sein gut aussehendes Gesicht zu sehen …
Sie merkte nicht, dass sie weinte, bis ihr ein leises Schluchzen aus der Kehle drang.
»Mira«, sagte eine sanfte, tröstliche Stimme irgendwo über ihr. Nicht Renata, sondern eine der anderen Frauen des Ordens. Dantes Stammesgefährtin, Tess. »Ich möchte dir gerne helfen, darf ich?«
Mira kannte Tess schon fast ihr ganzes Leben, hatte ihre Heilergabe mehr als einmal aus erster Hand erlebt, damals, als der Orden sein Hauptquartier noch in Boston hatte. Ursprünglich ausgebildete Tierärztin, bevor sie Dante kennenlernte und ihren Sohn Rafe bekam, war Tess nach wie vor auch sehr erfahren in traditioneller Medizin. Aber es war ihre andere Heilergabe, die Tess jetzt an ihr anwenden wollte: ihre übersinnliche Gabe, andere durch Berührung zu heilen – selbst die schlimmsten Verletzungen und schrecklichsten Krankheiten.
»Mach bitte die Augen zu«, instruierte Tess sie, als Mira sich aufsetzte.
Sie tat wie geheißen und spürte, wie die Daumen von Tess leicht auf ihren geschlossenen
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