Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
Krieg damals, nicht Mord. Wie viele nicht genehmigte Tötungen, Kellan? Wie oft hast du gemordet, seit du Bowman bist?«
Er starrte lange nachdenklich vor sich hin, dann schüttelte er resolut den Kopf. »Wir können nicht wissen, wann genau in der Zukunft die Vision sich erfüllen wird. Wir wissen nur, dass sie sich erfüllen wird, weil deine Visionen niemals falsch liegen, Mira. Niemals, nie in all der Zeit.« Er ging ein paar Schritte von ihr fort und fuhr sich durch sein dunkelbraunes Haar. »Außerdem sind da auch noch die anderen Anklagepunkte, derer ich mich wirklich schuldig gemacht habe: Ackmeyer zu entführen, den Verwandten eines hochrangigen Diplomaten vom Rat der Globalen Nationen. Die Störung eines Friedensgipfels zu planen. Und indem ich diese Dinge getan habe, haben ich und mein Team wissentlich einen Akt des Hochverrats begangen.«
»Aber nicht Mord«, betonte Mira. Jetzt, wo sie einen Hoffnungsschimmer sah, würde sie diese Chance ergreifen. »Im letzten Anklagepunkt bist du nicht schuldig. Und das ist doch etwas, was du von diesem Moment an in der Hand hast. Und wenn die Vision in einem Punkt nicht zutrifft, kann das doch auch bei den anderen der Fall sein. Vielleicht können wir das abwenden, Kellan. Gemeinsam.«
Er kam zu ihr zurück, stand direkt vor ihr, sagte aber nichts. Seine Augen durchbohrten sie, und bis auf das plötzliche Zucken einer Sehne in seinem Kiefer war sein Gesicht völlig reglos geworden. Sie konnte spüren, wie seine Gedanken kreisten, konnte seinen heftigen, heißen Puls spüren, der in der Luft vibrierte in dem knappen Zentimeter, der ihre Körper voneinander trennte.
Er fluchte leise, heftig und rau. Nicht vor Wut – vor Erleichterung.
Vor Hoffnung.
Er streckte die Hände nach ihr aus, zog sie an sich und küsste sie heftig auf den Mund. Dann ließ er sie los, wirbelte herum und griff nach seinem Kommunikationsgerät auf dem Schreibtisch neben seinem Bett. Er sah nach der Uhrzeit und drehte sich wild zu ihr um. »In dreißig Minuten ist Sonnenuntergang.« Er schnappte sich ein Paar Stiefel vom Boden und zog sie an. »Ich gehe nach Boston. Ich muss Vince finden und Ackmeyer lebend da rausholen.«
»Ich komme mit«, verkündete Mira. Sie hatte schon eines seiner T-Shirts angezogen und fuhr in ihre schwarzen Jeans. Sie griff nach ihren Kampfstiefeln, aber da packte Kellan sie fest am Handgelenk.
»Du bleibst hier«, sagte er. »Ich dulde nicht, dass du dich in Gefahr bringst. Außerdem bin ich zu Fuß viel schneller.«
Sofort stand sie vor ihm und forderte ihn heraus, genau wie damals in ihrer Kindheit. »Entweder komme ich mit dir, oder ich gehe alleine, Archer.«
Die Sehne an seinem Kiefer zuckte heftiger. Seine Augen glühten feurig, versengten sie mit ihrem bernsteinfarbenen Schein. Aber Mira wich nicht zurück. Sie starrte zu diesen gefährlichen Augen auf und hielt ihnen unverwandt stand. Es war ein Blick, den er nur allzu gut kannte und der ihm sagte, dass sie nicht nachgeben würde.
»Ach verdammt«, knurrte er. »Wir brechen in fünf Minuten auf.«
Er stürmte vor ihr aus dem Raum. Mira steckte ihren Dolch in die Scheide an ihrem Gürtel und folgte ihm.
Etwa sieben Minuten nach Sonnenuntergang ertönte ein Klopfen an der Tür im Erdgeschoss eines rattenverseuchten dreigeschossigen Mietshauses im Bostoner Viertel Charlestown. Das war fix, wenn man bedachte, dass Rooster erst vor fünf Minuten herbeordert worden war – sein Freund hatte ihn dringend und ohne weitere Erklärung angerufen.
Nathan warf einen Seitenblick auf den Zuhälter und Heroindealer, den er vor exakt viereinhalb Minuten erwürgt hatte. Der Mann hatte dummerweise versucht den Vampir in seinem Wohnzimmer mithilfe seines Colts loszuwerden, den er unter dem Sofakissen aufbewahrte. Der Griff der unbenutzten Smith & Wesson steckte immer noch zwischen dem ramponierten karierten Schaumstoffpolster der Couch und einer Fleecedecke, die die vielen Flecken und Brandlöcher des sperrmüllreifen Sitzmöbels kaum verbergen konnte.
Nathan nahm an, dass die Waffe geladen war, aber das spielte für ihn keine Rolle. Er war von Kindheit an dafür ausgebildet, auf hundert verschiedene Arten mit bloßen Händen zu töten. Und war seither nie besiegt worden, eine makellose Kampfstatistik – er kannte keine Gnade.
Wieder klopfte Rooster zweimal kurz und heftig an die Tür. »Hey, Billy! Machst du jetzt endlich mal auf oder –«
Im nächsten Augenblick blieben ihm die Worte im Hals stecken, denn Nathan
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