Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
keine gute Taktik, wenn er eine Mordanklage gegen sich vermeiden wollte.
Aber während Kellans Frustration sich unaufhaltsam zu tödlicher Wut auswuchs, ließ Mira sich von ihrem bisherigen Mangel an Erfolg nicht entmutigen. Sie preschte mit ihrer typischen störrischen Entschlossenheit voran und führte ihn in das alte Bostoner Stadtviertel North End, zu dem Club mit der illegalen Kampfarena, wo sie Rooster vor einigen Nächten zuletzt gesehen hatte.
»Wo wir schon hier in der Gegend sind«, sagte sie, als sich die Silhouette der einstigen neugothischen Kirche vor ihnen in den Nachthimmel erhob. »Es ist aber noch früh. Wenn er nicht irgendwo im Club ist, ist unsere zweitbeste Adresse ein Junkie, der sich Billy the Kid nennt. Er und Rooster saßen vor einer Weile mal wegen Drogendelikten zusammen im Knast. Soweit ich gehört habe, sind sie immer noch dicke Kumpels.«
Kellan grunzte, beeindruckt von ihr wie üblich, und viel zu leicht verfiel er wieder in den eingespielten Rhythmus als ihr Patrouillenpartner. Er musste sich daran erinnern, dass es sich hier nicht um eine Operation des Ordens handelte. Er war kein Mitglied des Ordens mehr, und Mira riskierte ihr Leben, einzig weil sie mit ihm zusammen war – nicht wegen der Gefährlichkeit ihres heutigen Vorhabens, sondern wegen der Person, die er war, der Person, zu der er in diesen letzten acht Jahren geworden war.
Glücklicherweise hatte er sich in dieser Zeit extrem bedeckt gehalten. Der Name Bowman fiel vielleicht gelegentlich in dunklen Hinterzimmern und Gassen, aber er konnte praktisch an einer Hand abzählen, wie viele Leute je sein Gesicht gesehen hatten, die meisten davon in der Basis in New Bedford. Und jetzt war einer von ihnen tot.
Schwere Bässe dröhnten, E-Gitarren kreischten, als Mira auf den Haupteingang des LaNotte zuging und die Tür öffnete. Kellan ging neben ihr und sah sich im Club genau um. Obwohl es hier für den frühen Abend voll war, hatten sich die meisten Gäste vor der fünfköpfigen Metal-Band versammelt, vor allem Jugendliche aus den Vorstädten und diverse Touristen. Die meisten waren Menschen, aber Kellan bemerkte auch drei junge Stammesvampire aus den Dunklen Häfen, die sich in einer gegenüberliegenden Ecke herumdrückten, eine Gruppe leicht bekleideter junger Frauen im Visier, die wild entschlossen wirkten, einen draufzumachen, und deren Tisch bereits voll leerer Gläser stand.
»Die Käfigkämpfe fangen erst gegen Mitternacht an«, sagte Mira zu Kellan und lehnte sich nah an ihn heran, um ihn über den Lärm im Raum nicht anschreien zu müssen. »Das ist nur zum Aufwärmen.«
Ihr Atem an seinem Ohr durchzuckte ihn wie eine Flamme, ungewollt, aber verdammt schwer zu ignorieren. Er widerstand nur knapp dem Drang, sie zu berühren, sein Kopf war plötzlich voller Bilder von ihr, nackt in seinem Bett, unter der Dusche … Aber dann packte Mira ihn am Unterarm und zog ihn in die Menge. »Komm. Rooster ist nicht hier. Gehen wir weiter.«
»Was ist los?«, fragte er und sah sich stirnrunzelnd zum Bereich hinter der Bar um, wohin sie eben noch geblickt hatte. Dort standen zwei Männer – einer von ihnen unverkennbar ein Stammesvampir. Sein langes blondes Haar war mit einem geflochtenen Lederband zurückgebunden, wodurch die Wangenknochen betont wurden, die besser an einer Frau ausgesehen hätten, wenn da nicht die mörderische Kälte seiner hellblauen Augen gewesen wäre. Er stand da, die muskulösen Oberarme vor der Brust verschränkt, und hörte dem anderen Mann zu, der ihm gegenüberstand, mit dem Rücken zu Mira und Kellan.
»Das ist Syn«, sagte sie und zeigte mit dem Kopf auf den riesigen Stammesvampir. »Einer unserer Neuzugänge im Orden. Und der andere, mit dem er redet …« Sie hob das Kinn und zeigte auf den ebenso großen, aber weniger massiv gebauten Mann in der schwarzen, mit glänzenden Schnallen und Stacheln gespickten Ledermontur. Sein silberblondes Haar war zu einem Schopf geschoren, der seinen Kopf krönte wie ein Strahlenkranz. Nicht, dass er auch nur entfernt etwas Engelhaftes an sich hatte. »… ist Cassian, ihm gehört der Laden hier. Die beiden sollten uns besser nicht sehen.«
Keiner der beiden Männer wirkte sonderlich zufrieden, sie waren weiter in ihr intensives Gespräch vertieft, als Mira Kellan zu einer dunklen Hintertreppe führte. Sie stiegen hinunter in das Kellergeschoss der alten Kirche und fanden sich in einem Gang, der nur von einigen trüben Glühbirnen erleuchtet wurde; alte
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