Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
dass er wie ein Feigling verschwunden war, nur um fast zehn Jahre später als Schurke wieder aufzutauchen.
Scheiße. Sogar das optimistischste Szenario versprach keinen guten Ausgang der Geschichte, unabhängig davon, ob er und Mira heute Nacht Erfolg damit haben würden, Vince aufzuspüren und Ackmeyer in Sicherheit zu bringen.
Offenbar hatte Mira die ganze Bedeutung von Runes Eröffnung noch nicht erfasst. Sie spähte um Kellan herum und sah den anderen Stammesvampir mit gerunzelter Stirn an. »Wer hat dir erzählt, dass Lucan mich verwarnt hat? Wo hast du gehört, dass man mich von der Patrouille suspendiert hat?«
»Ist das so wichtig?«, antwortete Rune mit einem Achselzucken. »Die meisten, die ich hier zu Gesicht kriege, haben für den Orden nichts übrig, und die Leute reden. Ich hätte es überall hören können.«
»Nun, was immer du gehört hast«, sagte sie, »jetzt bin ich hier. Und ich brauche deine Hilfe, um Rooster zu finden. Es ist mir ernst, Rune, ich muss mit ihm reden. Wenn du ihn also heute Nacht hier siehst, musst du ihn irgendwie für mich festhalten, bis ich zurückkomme. Ich würde dich nicht darum bitten, wenn ich jemand anderen hätte, der mir weiterhelfen könnte.«
Er überlegte lange. »Ich tue niemandem einen Gefallen. Und schon gar nicht, weil ich dafür bezahlt werden will.«
»Dann tu es, weil es wichtig ist«, drängte Mira. »Und das ist es, Rune. Ich will dich nicht anlügen, es geht um Leben und Tod.«
»Von wessen Leben reden wir hier?«
Sie sah Kellan nicht an, aber er spürte, wie ihr Körper sich neben ihm anspannte. »Ist das so wichtig?«, fragte sie mit den gleichen Worten wie der Kämpfer vorhin.
»Vielleicht«, sagte er. »Vielleicht aber auch nicht.«
»Ich muss mit Rooster reden, je eher desto besser«, sagte Mira zu ihm. »Und niemand darf wissen, dass ich ihn suche. Niemand.«
Rune durchbohrte sie mit seinem Blick, dann warf er Kellan einen argwöhnischen Seitenblick zu. »Was ist mit dem Orden?«
»Wirklich niemand«, erklärte Mira entschieden.
Jetzt dauerte es lange, bis der bedrohliche Kämpfer antwortete. Und dann tat er es mit einem kurzen, zustimmenden Nicken. Gleichzeitig machte er wieder Anstalten, die Tür vor ihnen zu schließen, dieses Mal tatsächlich. »Wenn das alles ist, ich habe jetzt Wichtigeres zu tun.«
Das scharfe Klicken des Türschlosses markierte seinen endgültigen Abgang, und Kellan und Mira standen wieder allein im Korridor.
»Machen wir, dass wir hier rauskommen«, sagte Kellan und nahm sie bei der Hand, um mit ihr zurück zur Treppe und wieder hinauf in den Club zu gehen.
Kaum waren sie oben und gingen durch die laute Menge auf den Ausgang zu, als hinter ihnen eine tiefe Stimme ertönte. »Ich dachte, du hättest meine Nachricht bekommen vor ein paar Nächten, als du hier warst und Ärger gemacht hast, Kriegerin.«
Kellan und Mira blieben stehen, dann drehten sie sich gemeinsam zu Cassian um, dem Eigentümer des LaNotte . Seine Augen hatten die Farbe von Turmalin, gerissen und habichtartig unter seinen dunklen Brauen und dem kurz geschorenen weißblonden Haarschopf. Hochgewachsen und massig gebaut stand er da, die Arme vor seiner Brust in der Lederjacke gebieterisch verschränkt.
»Falls hier irgendwelche Zweifel bestehen, du bist in meinem Club nicht willkommen.« Sein Mund war zu einem Lächeln gekräuselt, das fast schon obszön wirkte. »Oder bist du mit deinem Freund hier, um dich unters gemeine Volk zu mischen?«
Er sah Kellan dabei nicht an, doch dessen Nackenhaare sträubten sich allein schon beim Anblick dieses Typen. Sein Körper spannte sich an, und er packte Miras Hand fester.
»Wir wollten gerade gehen«, antwortete sie.
»Wen hast du dabei?«, fragte Cassian jetzt. »Neuer Rekrut?«
Kellan senkte den Kopf, als der Mann auf sie zuschlenderte. Er bewegte sich mit pantherartiger Geschmeidigkeit, die seinen massigen Körper Lügen strafte. Cassians hellgrüne Augen durchbohrten Kellan. »Dich kenne ich doch.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, knurrte Kellan, sicher, dass er den Normalsterblichen nie zuvor getroffen hatte. An diese Arroganz und die unterschwellige Bedrohlichkeit, die er ausstrahlte, hätte er sich erinnert.
Der weißblonde Haarschopf wirkte unter den wirbelnden bunten Lichtern der Bühne hinter ihnen wie Eis. Ein riesiger Faceboard-Monitor auf der gegenüberliegenden Wand zeigte eben Livebilder eines blutigen Boxkampfes von zwei Menschen, zweifellos als Einstimmung für die echten
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