Vertraute Gefahr
auf dem eingebauten Display. Clint veränderte durch einen Knopfdruck die Anzeige und konnte auf einer Karte den genauen Aufenthaltsort von Shane erkennen. Sogar die Beschaffenheit des Geländes war dargestellt. Höhenzüge, Täler, Ebenen, Flussläufe. »Befindest du dich südwestlich vom Delicate Arch, rechts von dir eine Felswand?«
»Genau. Du wirst keine Schwierigkeiten haben, uns zu finden, der Schweinehund hat genug Wegweiser hinterlassen. Nicht nur das Blut, auf den Felsen hat er auch noch kleine Steintürme aufgestellt. Ich denke, er wollte, dass ihnen jemand folgt.«
Clint verzog das Gesicht. »Okay, hör zu. Folge weiter der Spur, aber möglichst so, dass dich niemand bemerkt. Durch dein Signal werde ich wissen, wo ich euch finde.« Seine Stimme wurde beschwörend. »Wenn du Autumn findest, verhalte dich ruhig, gib dich nicht zu erkennen. Warte auf mich.«
Shane räusperte sich. »Das werde ich – wenn ich kann.«
»In Ordnung. Wenn ich in deiner Nähe bin, gebe ich dir ein Zeichen mit dem Vibrationsalarm des Handys. Zwei Mal. Pause. Zwei Mal. Okay?«
»Ja. Beeil dich bitte.«
Clint blickte sich um. »Wir sind gerade an den Petrified Dunes vorbeigefahren, ich bin bald da.« Widerstrebend beendete er die Verbindung. Er konnte nur hoffen, dass sein kleiner Bruder keine Dummheiten begehen würde. »Können Sie etwas schneller fahren?«
Wortlos gab Janet Gas.
Autumn bemühte sich, die Augen offen zu halten, während sie im Halbdunkel der Höhle kauerte. Sie durfte keinesfalls einschlafen, aber der hohe Blutverlust, die körperliche Anstrengung des Marsches und die Nachwirkungen des Schocks machten ihr immer stärker zu schaffen. Roberts Schweigen trug auch nicht dazu bei, sie wach zu halten. Sie unterdrückte ein Gähnen und setzte sich aufrechter hin. Verstohlen untersuchte sie die Verbände an ihren Armen, die sie aus T-Shirt-Streifen gefertigt hatte. Robert hatte davon nichts mitbekommen, weil er sich ziemlich bald in die Nähe des Höhleneingangs gesetzt hatte, um eventuelle Verfolger früh genug zu bemerken.
Die Angst um Shane ließ sie die ganze Zeit über nicht los. Was, wenn er tatsächlich versuchen würde, sie zu retten, und ihm dabei etwas passierte? Sollte sie Robert ablenken, damit er es nicht merkte, wenn sich jemand anschlich? Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen. Noch nicht.
Autumn kniff die Augen zusammen, um die Zeiger ihrer Uhr erkennen zu können. Es war bereits nach drei, in einigen Stunden würde es dunkel werden. Sie überlegte, wann Robert sie überfallen hatte. Es musste gegen zehn Uhr gewesen sein, schätzte sie. Das hieß, dass bereits seit ungefähr fünf Stunden nach ihr gesucht wurde, je nachdem, wann ihr Verschwinden bemerkt worden war. Shane musste inzwischen völlig verzweifelt sein.
Tränen traten in ihre Augen. Hatte Clarissa berichtet, was sie gesehen hatte, und folgte man bereits ihrer Spur? Wenn ja, dann war es möglich, dass sie in nicht allzu ferner Zeit jemand entdeckte. Sie hoffte nur, dass es gleich eine ganze Gruppe gut ausgebildeter Polizisten war und nicht etwa Shane alleine. Sie würde noch eine halbe Stunde warten und dann Roberts Aufmerksamkeit auf sich lenken. Wenn sie Glück hatte, würde sie es überleben.
Janet bremste den Van direkt vor dem Weganfang scharf ab. Clint hatte bereits die Tür aufgeschoben und sprang aus dem Wagen, während er noch ausrollte. Er steckte den Kopfhörer ans Ohr und richtete das Mikrofon so aus, dass es genau vor seinem Mund saß. Das Gewehr hängte er sich über die Schulter, damit es beim Laufen nicht im Weg war.
Janet stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen. »Ich könnte mitkommen und Ihnen den Weg zeigen …«
Clints Mundwinkel hob sich. »Danke für das Angebot, aber ich muss mich schnell und leise bewegen. Und das kann ich am besten alleine.«
Janet nickte. »Das dachte ich mir.«
Clint gab ihr das zweite Mikrofon-Set. »Können Sie mein Kontakt zur Außenwelt sein?«
Janet nickte. »Natürlich.« Sie besah sich den Mechanismus. »Wie setze ich das Teil auf?«
Clint nahm es ihr aus der Hand, klemmte den einen Bügel hinter ihr Ohr und richtete das Mikrofon aus. »Wenn Sie am Mikro drehen, schalten Sie es an und ab.« Er demonstrierte es. »Bitte schalten Sie es nur an, wenn ich Sie rufe. Reden Sie ganz leise, ich werde Sie trotzdem verstehen. Wenn Sie mich doch einmal kontaktieren müssen, dann schnalzen Sie einmal mit der Zunge. Ich melde mich dann, sobald ich kann.« Er ging ein Stück weg.
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