Vertraute Gefahr
beruhigte sie. »Keine Panik, ich nehme dich mit dem Jeep mit, dann schaffst du es noch pünktlich.«
13
Der Morgen des 4. Juli dämmerte langsam herauf. Autumn stand bewegungslos an ihrem Fenster und beobachtete den wunderschönen Sonnenaufgang. Der dunkelblaue Himmel wurde von den kräftigen Rottönen der aufgehenden Sonne verdrängt. Die roten Felsen leuchteten auf, sie schienen von innen heraus zu strahlen. Ein tiefes Gefühl der Ruhe breitete sich in ihr aus. Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen. Shane war ein wunderbarer Mensch, und sie hoffte, dass seine Familie genauso nett war, damit sie die zwei Tage genießen konnte. Auch wenn sie nicht wusste, ob sie sich Shane wirklich öffnen und eine richtige Beziehung mit ihm eingehen konnte, musste sie es doch versuchen.
Bedauernd wandte sie sich vom Fenster ab. Sie musste sich beeilen, wenn sie um acht Uhr fertig sein wollte. Schnell zog sie sich ihre Jeans und ein blaues T-Shirt an und ging dann ins Bad. Nach ihrer üblichen Zwanzig-Minuten-Prozedur riss sie den Schrank auf und begutachtete kritisch den Inhalt. Sie durfte nicht zu aufgedonnert erscheinen, aber auch nicht zu leger. Am wohlsten fühlte sie sich in Jeans, aber wenn sie einer Einladung folgte, musste sie ordentlich aussehen. Während sie weiter ihre Kleidung inspizierte, gestand sie sich ein, dass sie auch für Shane attraktiv sein wollte. Feministinnen würden ihr jetzt wahrscheinlich sagen, das wäre ein falscher Ansatz, doch ihr war nun einmal danach. Bisher hatte Shane sie nur in Uniform oder in Freizeitkleidung gesehen. Sicher, sie schien ihm auch so zu gefallen, aber es konnte sicher nicht schaden, ihn ein wenig mit ihrem Aussehen zu überraschen.
Sie zog ein schlichtes, ärmelloses Sommerkleid in einem warmen Grünton aus dem Schrank und hielt es vor sich. Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel auf der Innenseite der Schranktür. Ja, das war es. Es brachte ihre Augen zum Leuchten und harmonierte gut mit ihrer Haarfarbe. Rasch legte sie noch etwas für abends in ihre Tasche, bevor sie im Bad ihre Kulturtasche packte und einen letzten Blick in den Spiegel warf. Ihr Haar umrahmte wild ihr Gesicht, sämtliche Bemühungen, es zu bändigen, waren heute vergebens gewesen. Ihre grünen Augen glitzerten erwartungsvoll. Ja, sie weilte eindeutig wieder unter den Lebenden!
Sie warf die Kulturtasche in die Reisetasche, steckte kurz entschlossen noch ein Taschenbuch hinein und zog den Reißverschluss zu. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie noch etwas Zeit hatte. So erwärmte sie schnell einen Becher Kakao in der Mikrowelle und setzte sich mit dem dampfenden Getränk auf die Schaukel vor ihrer Hütte. Die Luft roch morgens noch frisch und sauber. Autumn atmete tief ein und genoss die Stille des Augenblicks. Es herrschten angenehme 20 Grad, die Bäume warfen lange Schatten. Autumn legte den Kopf an die Rückenlehne der Holzschaukel, schloss die Augen und trank langsam ihren Kakao.
So fand Shane sie zehn Minuten später vor, als er sie abholte. Ein nagender Hunger fuhr durch seine Eingeweide, der nur wenig mit dem verpassten Frühstück zu tun hatte. Vor allem aber wirkte Autumn zum ersten Mal wirklich entspannt, so als wäre eine Last von ihr abgefallen. Shane wünschte sich nichts mehr, als dass sie erkannte, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte und sich ihm ohne Bedenken öffnen konnte. Als die Holzstufen unter seinen Füßen knarrten, hoben sich Autumns Lider. Sie ließ ihren Blick langsam über ihn wandern und lächelte. Seine Augen glitten zu ihren Lippen. Während er darauf starrte, fuhr sie mit der Zungenspitze darüber. Wie sollte er mit ihr zu seinen Eltern fahren, ohne sie zu berühren, ihre glatte Haut zu streicheln und sie zu küssen, bis sie beide die Orientierung verloren? Vermutlich war es besser, das gleich hier zu erledigen, damit er später nicht in Versuchung geriet. Shane setzte sich neben sie auf die Schaukel und ließ sie mithilfe seines Fußes schwingen. Sein Kopf beugte sich zu ihr hinunter, verharrte wenige Zentimeter vor ihrem Mund und senkte sich schließlich auf ihre Lippen. Sanft strich er darüber und richtete sich widerwillig wieder auf.
»Guten Morgen.« Seine Stimme war ungewohnt rau. Sein Arm glitt hinter ihren Rücken und kam auf der Lehne zum Liegen. Mit den Fingern zupfte er leicht an ihren zerzausten Haaren. Es fühlte sich so gut an, in der Morgensonne neben ihr zu sitzen und die Ruhe zu genießen.
»Guten Morgen. Möchtest du auch
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