Vertraute Gefahr
übliche Gelassenheit nicht zu funktionieren. Shane ging ihr unter die Haut. Es lag noch nicht einmal an seinem Aussehen, sondern vielmehr an seiner ganzen Art. Seine Freundlichkeit hatte ihren Panzer durchdrungen und sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte. Zumindest schienen die Gefühle nicht nur auf ihrer Seite zu bestehen, sondern waren gegenseitig.
Das Geräusch von Schritten ließ sie aufblicken. Shane hatte sich inzwischen abgetrocknet und seine Jeans angezogen. Während er sein Hemd zuknöpfte, kam er langsam auf sie zu. Mit seinen nackten Füßen, dem verwuschelten Haar und seinem nur halb zugeknöpften Hemd wirkte er unglaublich verführerisch. Autumn schluckte hörbar und wandte sich dem Fenster zu.
»Und, möchtest du ihn jetzt sehen?«
Diese Frage brachte ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, um im nächsten Moment wieder zurückzuschießen. Mit den Armen umfing sie ihren Oberkörper, während sie in eine Ecke des Sofas rutschte. Er konnte doch nicht wirklich …
Shane nahm neben ihr Platz, streckte die Hand aus und umfing ihre. Langsam zog er sie zu sich heran, während er tief in ihre Augen blickte. Fast verzweifelt versuchte Autumn ihre Hand zu befreien.
Shane bemerkte wohl ihren Widerstand, denn er sah sie fragend an. »Was ist los?«
Autumn konnte ihm nicht in die Augen blicken. »Wen sehen?« Ihre Stimme klang noch rauer als gewöhnlich.
»Na, den Stall. Was dachtest du …« Seine Stimme verebbte und er begann zu lachen.
Autumn erstarrte. Was war daran lustig, wenn sie noch nicht bereit war, sich mit einem nackten Shane auseinanderzusetzen? Hatte sie sich so in ihm getäuscht? Schweigend erhob sie sich. Während er nach Luft rang, griff Shane erneut nach ihrem Arm. Mit dem Handrücken wischte er sich die Tränen aus den Augen. Schließlich zog er Autumn auf seinen Schoß und umfing sie mit beiden Armen. Windend versuchte sie, sich seinem Griff zu entziehen.
»Bitte, halt still. Ich habe nicht die Kraft, mit dir zu kämpfen.«
Schließlich blieb Autumn stocksteif sitzen. Ihre Arme verschränkte sie vor der Brust. »Kann ich jetzt gehen?«
Shane seufzte. »Bitte entschuldige, ich habe nicht über dich gelacht, sondern über mich, über die Situation.« Er lächelte sie an. »Ich habe daran gedacht, wie gerne ich dir alles Mögliche zeigen würde, aber in diesem Fall meinte ich wirklich nur den Stall.« Wieder einmal schob er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Unsicher sah sie ihn an. Hatte er tatsächlich nur vom Stall gesprochen und sie hatte ihn völlig falsch verstanden? Ein Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln, als sie sich zurückerinnerte, was er gesagt hatte. Ihr Gehirn war wohl noch auf seinen Anblick nur mit Handtuch fixiert gewesen, sonst hätte sie nie sofort den falschen Schluss gezogen.
»Mein Fehler, ich war wohl in Gedanken woanders.«
»Ich frage jetzt besser nicht, wo.« Seine tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr war sanft und verführerisch. Er räusperte sich. »Wir sollten gehen, wenn wir vor dem Essen noch den Stall sehen wollen.«
16
Der Stall wirkte von außen schon groß, von innen war er gigantisch. Das in Holzständerbauweise errichtete Gebäude hatte Flügeltüren, durch die ohne Probleme ein Doppeldeckerbus gepasst hätte. Die Wände waren von unzähligen großen Fenstern durchbrochen. Im Innern roch es nach frischem Stroh und Pferden. Für Autumn ein ungewohnter, aber trotzdem faszinierender Duft. Tief atmete sie ihn ein. Shane ging mit den Händen in den Hosentaschen langsam neben ihr her.
»Und, habe ich zu viel versprochen?«
Autumn lächelte ihn an. »Nein, er ist wirklich schön. Wie viele Pferde habt ihr?«
»Soweit ich weiß, sind es momentan achtzehn. Es können aber inzwischen durch Kauf oder Geburt ein paar mehr sein.«
»Wofür braucht ihr so viele?«
»Größtenteils für die Arbeit mit den Rindern. Außerdem bieten wir Gästen Pferdeausflüge an. Im Yellowstone gibt es einige Gebiete, die fürs Reiten sehr gut geeignet sind. Vielleicht willst du es ja auch mal probieren?«
Autumn hob abwehrend die Hände. »Nein, bloß nicht. Ich schaue gerne Pferde an, aber ich muss nicht unbedingt auf einem sitzen.«
Shane blickte sie neugierig an. »Schlechte Erfahrungen gemacht?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Als Kinder sind wir bei einer Geburtstagsfeier zu einer Reitbahn gegangen. Ich habe natürlich ein Pferd erwischt, das an jeder Ecke stieg, obwohl es geführt wurde, und schließlich
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