Vertraute Gefahr
Schüsseln. »Kein Problem. Ist Jay denn schon angekommen?«
Martha wischte sich die Hände an ihrer voluminösen Schürze ab. »Ja, er ist oben in seinem Zimmer. Er kommt gleich wieder runter.«
Wie auf Befehl schlenderte in diesem Moment ein weiteres Prachtexemplar der Sorte Mann durch die Tür. Sein goldbraunes Haar war zerwühlt, als wäre er gerade mit der Hand durchgefahren, die schwarzen Augen blitzten fröhlich, als er auf Martha zuging, sie mit einer bärenhaften Umarmung hochhob und ihr einen laut schmatzenden Kuss auf die Wange gab.
Martha lachte belustigt und verlegen zugleich. »Jay, also wirklich, was soll denn Shanes Gast von uns denken?«
Schwungvoll stellte Jay sie wieder auf die Füße und wandte sich Shane und Autumn zu. Seine ausdrucksvollen Augen blickten sie prüfend an. Unter dem Blick wurde Autumn etwas mulmig, unruhig trat sie von einem Bein aufs andere. Schließlich kam er langsam, panthergleich auf sie zu, ein kleines Lächeln im Gesicht. Unwillkürlich trat Autumn von ihm zurück, bis sie auf Widerstand stieß.
Shane schlang die Arme um sie und zog sie an seine harte Brust. »Benimm dich, Jay.«
Jay lachte. »Hallo Shane, schön dich zu sehen.« Er drückte kurz seine Schulter und trat dann vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. »Heb dir deinen bösen Blick für jemand anderen auf, ich will dir bestimmt nichts wegnehmen.«
Shane schnaubte. »Das könntest du auch gar nicht, Jay.« Sein Griff löste sich ein wenig. »Die Frau, die du eben so erschreckt hast, heißt übrigens Autumn. Wie wäre es, wenn du dich zur Abwechslung einmal gut benehmen würdest?«
Jay zuckte die Schultern. »Tue ich das nicht immer?« Nach einem erneuten Blick auf Shane schüttelte er ihr die Hand und begrüßte sie mit einem fröhlichen Lächeln. »Ich hoffe, ich habe dich nicht erschreckt. Ich wollte nur meinen Bruder ein bisschen ärgern.«
Niemand konnte Jay lange böse sein, vermutete Autumn, während sie stumm nickte.
»Also, was ist denn nun mit den Schüsseln?« Martha klang inzwischen etwas ungeduldig.
Autumn griff sich schnell eine riesige Schale mit grünem Salat samt Dressing und verschwand aus der Küche, Shane und Jay nur knapp hinter ihr. Sie mussten einige Male die Strecke zwischen Haus und Garten zurücklegen, um sämtliche Schüsseln aus der Küche auf den Gartentischen zu verteilen. George stand bereits am Grill und fächelte mit einem Pappteller die Kohlen an. Chloe hatte sich neben ihm niedergelassen, die Knie angezogen, die Arme darüber verschränkt, und erzählte ihm eine Geschichte aus ihrem Studium. Die Energie schien in Wellen von ihr auszugehen. Selbst wenn sie still saß, war ihre Lebendigkeit spürbar. Ihr Fuß wippte im Takt zu einer unhörbaren Melodie.
Nach und nach kam auch der Rest der Familie aus diversen Richtungen zum Tisch.
Shane zog Autumn galant einen Stuhl zurück. »Was möchtest du trinken?« Er blickte unter den Tisch. »Wir haben Wasser, Cola, Sprite, Bier und verschiedene Säfte.«
»Cola, bitte.« Shane öffnete die Flasche und goss ihr schwungvoll ein. »Danke.«
»Bitte.« Er lächelte sie an. »Und, wie gefällt es dir bisher? Bereust du, mitgekommen zu sein?«
»Es ist sehr schön hier. Und solange du nicht ständig danach fragst, werde ich es wohl nicht bereuen.« Sie gestikulierte in Richtung Grill. »Was glaubst du, wie lange das noch dauert?«
Shane lachte. »Hungrig, was? Nimm dir doch einfach schon ein bisschen von dem Grünzeug, als Appetitanreger.«
»Einen Anreger brauche ich nun wirklich nicht mehr. Außerdem mag ich mir nicht als Erste etwas nehmen.«
Shane griff sich einen Teller, häufte Salat und ein riesiges Stück Weißbrot darauf und begann zu essen.
»Jetzt bist du nicht mehr die Erste. Greif zu.« Autumn konnte nur noch den Kopf schütteln: Dieser Mann war einfach unglaublich. Da sich ihr Magen schon beim Anblick seines Tellers verkrampfte, ließ sie sich nicht lange bitten.
Kurze Zeit später war die gesamte Familie um den Tisch versammelt. Die laute und lebhafte Gruppe war für Autumn als Einzelkind eine Offenbarung. Die Kommentare flogen wie Pingpongbälle hin und her und bald war Autumn völlig integriert, als hätte sie schon immer zur Familie gehört. So viel Spaß hatte sie seit Jahren nicht mehr gehabt und sie spürte, wie sie sich immer mehr entspannte. Die Furcht und die Einsamkeit des vergangenen Jahres fielen von ihr ab.
Die Einzigen am Tisch, die nicht ganz so viel zu der guten Stimmung beitrugen, waren
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