Vertraute Schatten
ihn kurz böse an, was er unglaublich reizvoll fand. Grigori hin oder her, sie war leichter aus der Reserve zu locken als jeder andere Vampir, den er bislang kennengelernt hatte. Kein Wunder, dass sie abgehauen war. Als einzig interessante Person unter lauter verklemmten Langeweilern zu leben, das musste einen ja in den Wahnsinn treiben. Obwohl er in ihren Augen momentan wohl auch in diese Kategorie fiel.
»Was kümmert Sie das eigentlich? Warum sind Sie überhaupt noch hier?«, fragte sie. »Wenn Sie nicht die Absicht haben, mich zu verpfeifen, sollte man doch meinen, ein Shade hätte Besseres – na ja, vielleicht nichts Besseres, aber anderes – zu tun.«
Er lächelte sie an. »Das stimmt allerdings. Ich bin auf der Suche nach Ihrem vermissten Blutsbruder Sammael.«
Diese Neuigkeit nahm sie, dem zornigen Aufblitzen ihrer Reißzähne nach zu urteilen, nicht allzu wohlwollend auf.
»Sie vergeuden Ihre Zeit. Wir kümmern uns selbst um unsere Leute. Die Grigori brauchen keine Hilfe von außen.«
Damien kicherte leise. »Trifft das nicht auch auf Sie zu? Sie sind ja nicht dazu ermächtigt, die Gegend unsicher zu machen und Detektiv zu spielen, oder?« Er wartete eine Antwort gar nicht erst ab. Die Wahrheit stand ihr ins hübsche Gesicht geschrieben. Und das überraschte ihn. Die Grigori wurden nicht abtrünnig, sie verweigerten ihrer Führung nicht den Gehorsam, und sie setzten nicht einfach alles in die Tat um, was ihnen durch den Kopf ging. Diese nervöse und etwas unbeholfene Schönheit konnte er sich nur schwer als Widerstandskämpferin vorstellen. Ihm war jedoch auch bewusst, dass der äußere Schein trügen konnte.
»Kein Grund zur Sorge, Kätzchen. Falls Sammael gefunden werden kann, werde ich ihn finden. Die Bezahlung ist einfach zu gut.«
»Wer bezahlt Sie dafür, sich hier einzumischen? Eine andere Dynastie?«
Damien stieß ein kurzes, verächtliches Lachen aus. »Sariel, mittels eines ungeschlachten Lakaien, der geschickt worden ist, um das Geschäft auszuhandeln.«
Ihr fiel die Kinnlade herunter. »Unmöglich«, zischte sie, als sie sich wieder gesammelt hatte. »Die Grigori haben Oren losgeschickt. Wofür sollte man Sie noch brauchen?«
»Das ist leicht zu beantworten. Weil ich der Beste bin«, erwiderte Damien. Er genoss ihre Empörung und nippte wieder an seinem Martini. »Dieser Oren kann nicht allzu viel taugen, da ich ihn noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Ach, und bevor Sie mir noch vorwerfen, ich würde Ihnen nichts als Lügen auftischen …«, er hielt einen Finger hoch, als sie etwas sagen wollte, »ich habe ein Dossier, prall gefüllt mit Informationen von Ihrem Anführer bekommen, dazu als verlockendes Angebot irgendeinen Diamanten von Atlantis. Abgesehen davon, woher hätte ich sonst von Ihnen wissen sollen?«
Darauf schien sie keine Antwort zu haben. Sie zog die Stirn in tiefe Falten und spitzte die Lippen so leicht, dass Damien urplötzlich das heftige Bedürfnis überkam, sich zu ihr zu beugen, ihre volle Oberlippe in den Mund zu nehmen und sanft daran zu saugen. Sein ganzer Körper reagierte entsprechend. Verdammt, er wurde schon ganz hart.
»Ein angeheuerter Gangster«, sagte sie schließlich. »Mir fehlen die Worte. Wenn unsere Altvorderen mehr Unterstützung brauchen, hätten sich genügend aus unseren eigenen Reihen gemeldet.« Der Ekel, der ihr unzweideutig ins Gesicht geschrieben stand, forderte Damiens Stolz deutlicher heraus, als es die Umstände eigentlich erfordert hätten. Dies traf ihn unvorbereitet, und wie üblich, wenn er auf dem falschen Fuß erwischt wurde, reagierte er gereizt.
»Wie Sie?«, fragte Damien, ohne seine Verachtung zu verbergen. »Ja, dass Sie alles unter Kontrolle haben, sieht man. Wie Sie alles im Griff haben, flößt einem schon Ehrfurcht ein. Was hat sich Ihre Führung nur dabei
gedacht
, Sie außen vor zu lassen?«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, bereute er sie auch schon. Der jahrelange Umgang mit Dieben und Mördern hatte seine Zunge geschärft und seinen Geduldsfaden dünn werden lassen, aber keiner seiner Kumpane scherte sich groß darum. Die waren selbst so drauf. Die Grigori-Frau hingegen reagierte, als ob er ihr ins Gesicht geschlagen hätte. Sie holte tief Luft und richtete sich auf. Und obwohl sie ihre Unschuld immer noch wie einen unsichtbaren Mantel trug, erkannte Damien, dass er sie falsch eingeschätzt hatte, was ihren Mut anging.
Sie mochte wie eine zarte, ätherische Blume aussehen, aber in dieser Frau steckte sehr
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