Vertraute Schatten
das Mal zu tragen.
In gewisser Hinsicht eine Enttäuschung. Aber auch ein Vorteil. Bald würde sie aus dem Weg geschafft sein, dann konnte er sich an die wirklich wichtige Arbeit machen. Der Kater hatte sich als hervorragende Wahl erwiesen, wie die Hunde, die die Menschen für die Fuchsjagd abrichteten. Diese Analogie würde dem Shade allerdings kaum gefallen.
Eine seltsame Nacht. Aber er war Lucan einen Schritt näher gekommen und Sammael auch. Sariel würde sich freuen.
Oren sprang hoch. Seine Flügel trugen ihn durch die Öffnung, die Lucan ins Dach geschlagen hatte. Der Verräter war nicht weit. Ariane war näher.
»Schlaf gut, Schwester«, murmelte Oren, während er über den Lichtern der Stadt aufstieg. »Bald bist du wieder zu Hause.«
9
Ariane hatte schnell gelernt, wie leicht es war, Menschen zu finden, von denen sie sich nähren konnte. In der Wüste hatte sie nie auf die Jagd gehen müssen, aber das hatte sie nach ihrer Flucht rasch nachgeholt. Das Vergnügen, das sie dabei hatte, hatte sie sich zunächst nicht eingestanden. Die Grigori betrachteten Ernährung als rein biologische Funktion, nichts weiter. Aber die aufregenden Verfolgungsjagden, der Geschmack warmen Lebens auf ihrer Zunge, während die Menschen sich in ihren Armen auflösten …
Das hatte schon was. Und die Grigori schienen die Einzigen zu sein, die nicht zugaben, das Ganze auch zu genießen.
Sie schaute dem Menschen, den sie in eine dunkle Ecke der Bar gelockt hatte, in die Augen und drängte sich eng an ihn. Er lächelte sie an. Sein Blick war ein wenig getrübt, einmal vom vielen Bier, zum anderen hatte sie mit ihren übersinnlichen Kräften ein bisschen nachgeholfen, damit er sich nicht danebenbenahm. Er hielt seine Arme locker um sie geschlungen, seine Hände lagen auf ihrem Rücken.
»Du bist so wunderschön«, sagte er leise. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und lächelte ihn ebenfalls an.
»Nein, wie süß«, säuselte sie zurück. »Ich will dich küssen.«
Er machte Anstalten, ihre Lippen zu berühren, doch sie wich ihm aus, neigte den Kopf und drückte den Mund auf seinen warmen Hals. Sie hörte, wie er aufseufzte, und wusste, er war so weit. Sie hob die Hand zum Schutz vor zufälligen Blicken, schnüffelte an seinem Hals und schlug ihm die Zähne in die Adern. Er zuckte noch nicht einmal zusammen, sondern zog sie leise stöhnend näher an sich, während sie ihre Nahrung aus ihm saugte.
»Ein hübsches Bild gebt ihr ab«, flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr. »Und wie schmeichelhaft. Beißt du immer Männer, die mir ähnlich sehen, Kätzchen?«
Erschrocken, aber gesättigt leckte Ariane über die Bisswunde, um sie zu schließen, dann ließ sie von ihrer Nahrungsquelle ab. Sie spürte Damien unmittelbar hinter sich und wusste, sie bräuchte sich nur etwas zurückzulehnen und schon würden sich ihre Körper berühren. Die Vorstellung war verführerisch, aber andere Dinge waren wichtiger. Und egal wie sehr sie ihn begehrte – wenn sie ihm zu sehr auf den Pelz rückte, würde es ein Unglück geben. Damien war ein Mann, dem seine Spielzeuge schnell langweilig wurden. So schätzte sie ihn zumindest ein.
»Ich muss los, geh jetzt zu deinen Freunden zurück«, sagte sie zu dem Mann – Matt hieß er, jetzt fiel es ihr wieder ein – und starrte ihm in die Augen. Er blinzelte, schaute verwirrt drein, nickte dann jedoch.
»Okay. Schade, dass du schon … Bis später.« Er machte sich auf den Weg, prallte gegen den nächsten Barhocker und ging dann weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen. Bis er bei seinen Freunden war, würde er so gut wie alles vergessen haben, außer dass sie sich verdrückt hatte.
Verdammt noch mal, er sah Damien tatsächlich ähnlich. Das war keine Absicht gewesen, aber sie hatte bei der Auswahl eindeutig den Shade im Hinterkopf gehabt.
Ariane wandte sich um. Damiens selbstgefällige Miene verriet ihr, dass er über das, was ihn bei ihrer Begegnung letzte Nacht so aus dem Gleichgewicht geworfen hatte, hinweg war. Er hatte zu seiner gewohnt bissigen Art zurückgefunden.
»Ich hätte dich
mich
beißen lassen, wenn ich gewusst hätte, dass du es so nötig hast«, sagte er. »Die billige Kopie hättest du dir sparen können.«
»Und was dann? Wenn dies vorbei ist, ziehst du Leine, und mir bleibt nichts als ein Mal, das wahrscheinlich wie eine fliegende Katze aussieht.« Wenn man einem anderen genügend Blut aussaugte, veränderte sich das Dynastiemal unwiderruflich. Hatte ein Blaublut sein Mal auf
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