Vertraute Schatten
fragte? Es stimmte schon – was sie in der Wüste als Freundschaft empfunden hatte, erwies sich als blasser Abklatsch von dem, was man offenbar hier darunter verstand. Allerdings war ihre Dynastie auch alles andere als »normal«, selbst im Vergleich zu anderen Vampiren.
Damien griff ihre Betroffenheit fast augenblicklich auf. »Eins muss ich dir jetzt mal sagen: Du errötest öfter als jeder andere Vampir, den ich kenne. Glaub es oder lass es bleiben, Kätzchen, aber die Frage habe ich aus ehrlichem Interesse heraus gestellt.«
Sie stöhnte und verdrehte die Augen himmelwärts. »Wieso hörst du nicht endlich mit diesem Kätzchen auf? Ich bin nicht dein Kätzchen. Und auch kein Mäuschen oder sonst ein fusseliges Tier.«
Als sie ihn wieder ansah, hatte er den Kopf geneigt und betrachtete sie mit Interesse, aber Gott sei Dank ohne Häme.
»Der Name passt irgendwie zu dir«, antwortete er. »Du bist schön, fühlst dich gut an und hast scharfe Krallen. Ich könnte dir ja versprechen, es zu lassen, aber das wäre gelogen.«
Jetzt musste sie lachen. Die plötzliche Zuneigung zu ihm, die sie in dem Moment überkam, ließ gleichzeitig sämtliche Alarmglocken schrillen.
Nein
, sagte sie zu sich selbst,
nein, nein, nein. Lust ist das eine. Ihn zu mögen das andere.
Aber das war leicht gesagt, wenn er sie wie ein unartiger kleiner Junge angrinste.
»Du bist ziemlich geradeheraus für jemanden, der sich als Experte für Tricks sieht«, sagte Ariane. »Bist du zu jedem so offen?«
»Nein«, entgegnete er, und sie lachte erneut. Seine Augen glommen auf, als er sie voller Vergnügen musterte. Ariane vergaß für einen Moment, dass sie nicht die Einzigen hier waren. Bei ihm passierte ihr das leicht, das hatte sie schon bemerkt. Verschlagen oder nicht, er war eindeutig eine fesselnde Persönlichkeit.
»Schön, dass du mich so unterhaltsam findest. Obwohl das nur mein ohnehin aufgeblasenes Ego weiter steigert«, entgegnete Damien. »Und jetzt komm. Gut möglich, dass wir Diana in der Empusae-Zentrale über den Weg laufen. Zumindest könnten wir sie dann aushorchen, wie zugänglich Mormo –
ich
darf sie so nennen – derzeit ist.«
Sie schoben sich zwischen den Autoreihen hindurch. Von den Karosserien wurde das Licht matt widergespiegelt, und Ariane fragte sich, welche Marke Damien wohl bevorzugte. Bestimmt etwas Schnelles. Schnittig, aber nicht übertrieben auffällig. Sie war gespannt, ob sie richtig lag.
Schweigend marschierten sie an einem Auto nach dem anderen vorbei. Schließlich ging er auf einen neuen roten BMW Cabrio zu, der einsam am äußersten Rand des Parkplatzes stand. Als er den Schlüssel aus der Tasche zog und den Wagen aufsperrte, musste Ariane grinsen. Sie hatte recht gehabt.
»Warum sollte sie uns helfen, wenn sie angeblich so schwierig ist?«, fragte sie. »Und erzähl mir jetzt bloß nicht, weil du so gut aussiehst und so charmant bist.«
Er schaute verstimmt, aber keineswegs beschämt. »Ich bin ein Shade, Ariane. Vielleicht verletzt das ja dein empfindsames Wesen, aber wie glaubst du eigentlich, bringen wir Leute dazu, uns einen Gefallen zu tun? Indem wir ihnen Kuchen backen?«
»Du hast für sie jemanden umgebracht«, sagte Ariane langsam. Die Erinnerung, dass ihr Begleiter – und möglicherweise auch zukünftiger Bettgenosse – ein kaltblütiger Mörder war, traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Diese Tatsache vergaß sie viel zu leicht. Insofern hatte sie die Erinnerung wohl gebraucht.
»Ihre Feinde sind schlau«, sagte Damien mit einem unmissverständlichen Anflug von Stolz. »Mormo zahlt nicht nur gut, ihre Aufträge sind auch stets eine besondere Herausforderung. Oder waren es zumindest. Ewig schade, dass …« Er brach abrupt ab und schüttelte den Kopf. »Ist ja auch egal. Machen wir uns endlich auf den Weg.«
Als er ihr die Tür aufhielt, zögerte sie.
»Du hast also … viele Leute getötet?«, fragte sie. Plötzlich kamen ihr Zweifel, ob es so klug war, in das Auto eines Mannes wie ihm zu steigen. Das Wissen, dass er ein Shade war, war eine Sache. Eine ganz andere war es, wenn er ins Detail ging … und den Eindruck vermittelte, seine Arbeit mache ihm auch noch richtig Spaß.
Damien seufzte vernehmlich und schaute demonstrativ auf die Uhr. »Ja, Ariane. Und jetzt hör mal zu: Es ist schon nach zehn, und unser Ziel liegt außerhalb der Stadt. Könntest du also bitte einsteigen?«
Erst jetzt erkannte er, dass irgendetwas nicht stimmte. Er schaute sie sich genauer an. Ariane hatte
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