Verwandte Seelen
mich von den herrlichen Tropfsteinformationen und Sintergebilden verzaubern. Die hohe Decke war teilweise mit Löchern versehen, durch die Tageslicht zu uns hereinschien.
„Du blutest ja!“, Sally deutete auf meine Stirn.
„Ist nicht weiter schlimm. Ich habe mir nur etwas den Kopf gestoßen.“
Dexter trat zu mir und strich mir über die Haut. „Bist du sicher, dass das dein Blut ist?“, fragte er zweifelnd. Dann sah er Grimmt an. „Ich kann keine Verletzung feststellen.“
Sie tauschten einen vielsagenden Blick aus.
„Hier entlang!“, forderte uns Grimmt schließlich auf.
Wir folgten ihm, in Bedacht, nicht wieder den Anschluss zu verlieren.
Den Anblick, der sich uns bot, als wir die Höhle verließen, werde ich niemals vergessen. Vor uns lag ein kleines Tal, in dessen Mitte ein See im Sonnenlicht glänzte. Nur ein Teil des Sees lag im Schatten eines Wäldchens. Die zu allen Seiten schroff aufsteigenden Felswände gaben diesem Ort einen eigenen, besonderen Zauber, wobei in dem Stein gewachsene kleine Höhlen als Behausungen dienten. In die Felsen geschlagene Treppen führten zu einigen etwas höher gelegenen Wohnhöhlen hinauf, was dem Ganzen einen imposanten Eindruck verlieh.
Kinder spielten auf der grünen, blühenden Wiese und lachten vergnügt.
Zwei kleine Zwillingsmädchen mit langen, dunklen Zöpfen kamen quietschend auf uns zugerannt. „Daddy . . . Daddy!“
Grimmt lief ihnen laut lachend und mit ausgebreiteten Armen entgegen, um sie aufzufangen.
Ich stand mit offenem Mund da und versuchte zu begreifen, was ich sah.
Der große, einschüchternde Grimmt saß dort im Gras mit seinen Töchtern und war zahm wie ein Lamm. Er herzte und drückte die beiden. Dann sprang er auf und lief seiner Frau entgegen. Sie küssten sich leidenschaftlich.
Grimmt hatte eine Familie.
„Das glaub’ ich jetzt nicht!“ Matt stand plötzlich neben mir und starrte in Grimmts Richtung. „Nun sieh sich einer diesen handzahmen Brummbären an!“
Dexter schnappte nach Luft. „Warum nur habe ich ihn vorhin nicht ertränkt, als ich die Gelegenheit dazu hatte?“
Sally und Conner brachen in schallendes Gelächter aus. „Tja, diese Chance hast du verpasst!“, klopfte Conner ihm auf die Schulter.
Nun fiel auch Dexter in ihr Lachen ein. Matt sah die drei beleidigt an.
Ich stand verzweifelt neben ihnen und schaute mich suchend um.
Wo war Jake?
14. Heimat
Es war das perfekte Versteck. Niemand draußen im Wald konnte vermuten, dass hinter dem Wasserfall und den steilen Felswänden ein menschliches Zuhause eingerichtet war. Wie eine unüberwindbare Festung mauerten die Felsen dieses idyllische Fleckchen Erde ein. Sie hatten sich hier ihre eigene kleine Welt geschaffen, wo sie unentdeckt und in Frieden leben konnten. Hier war Grimmts Heimat, in die er uns in Sicherheit gebracht hatte.
Ich wünschte Onkel James und Tante Maggi könnten dies sehen. Was würde ich alles dafür geben, wenn sie hier sein könnten.
Grimmt konnte sich hier mit allem selbst versorgen. Es gab einen großen Gemüsegarten, in dem sie Möhren, Radieschen, Kohlrabi sowie Salat angelegt hatten und der von allerlei Kräutern abgerundet wurde. Ein kleines Getreide- und Maisfeld war neben dem kleinen Wäldchen zu erkennen. Im See trieb ein Fischernetz auf der Wasseroberfläche, das gerade in ein kleines Boot gezogen wurde. Letztendlich gab es noch Schweine, Schafe und Ziegen, die sich auf den Wiesen frei bewegten, von den Hühnern und Gänsen mal ganz abgesehen.
Grimmts Marie war eine sympathische rundliche Frau in den Vierzigern, die uns herzlich willkommen hieß. Sie hatte ihr dunkelblondes Haar zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr lang über den Rücken fiel.
Seine fünfjährigen Zwillingsmädchen Nele und Ida hatten eindeutig das Temperament von ihrem Vater geerbt. Wie aufgezogen rannten sie um uns herum, wobei sie einen höllischen Lärm machten.
Und dann war da noch Will, Grimmts dreizehnjähriger Sohn. Er stand in sicherer Entfernung und beobachtete uns neugierig. Von Weitem sah er aus wie Grimmt in Kleinformat, nur eben ohne Vollbart.
Dexter hatte keine Familie. Ich glaube, Grimmts Kinder waren für ihn wie seine Enkel. So ausgelassen wie er mit ihnen herumtobte, merkte man ihm sein Alter fast nicht an.
Wir wurden zu verschiedenen Familien aufgeteilt, da ausnahmslos alle Wohnhöhlen belegt waren.
„Komm!“, forderte mich Grimmt auf. „Dann zeige ich dir jetzt mal dein neues Zuhause.“
Es war eine bezaubernde, romantische
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