Verwandte Seelen
hatte aber seit ihrer Geburt nur Kontakt zu Menschen“, überlegte er laut. „Dann traf sie auf dich und sie ist mit deinem Blut in Berührung gekommen.“
Jake nickte und sah mich an. „Deine unsterbliche Seite wurde immer unterdrückt. Du hattest nicht einmal eine Ahnung davon, dass du zur Hälfte eine Unsterbliche bist. Vielleicht hat dein Körper erst beim Kontakt mit meinem Blut erkannt, was in ihm steckt“, sprach er zu mir.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste gar nichts mehr.
„Aber warum hat sie sich nicht gleich verändert?“, fragte Grimmt. Augenblicklich breitete sich ein Grinsen in seinem Gesicht aus. „Was für Körperflüssigkeiten habt ihr eigentlich noch ausgetauscht?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und wartete amüsiert.
Jake und ich sahen uns nachdenklich an. Grimmt bekam keine Antwort.
13. Das Versteck
Inzwischen hatten uns die anderen wieder eingeholt. Ausnahmslos starrten sie mich neugierig an.
„Hab ich es doch gewusst!“, schnatterte Matt los. „Ich wusste gleich, dass mit dir etwas nicht stimmt. Aber mir hört ja wie immer keiner zu. Sally lag mit ihrer Theorie ja wohl völlig daneben.“
„Halt einfach die Klappe!“, sagte Sally genervt.
Traurig schaute sie mich an. Ich hatte keine Ahnung, was gerade in ihr vorging. Sie wirkte irgendwie . . . enttäuscht.
„So, jetzt ist aber Schluss mit der Vorstellung!“, rief Grimmt. „Wir müssen weiter!“ Damit trieb er sein Pferd an und ritt voraus.
Keiner folgte ihm. Ich hätte Eintrittsgeld verlangen sollen, so wie mich alle musterten.
Grimmt hatte angehalten und brüllte zurück. „Sing’ ich oder was? Seht zu, dass ihr in Bewegung kommt, sonst mach ich euch Beine!“ Hätte er vor Wut Feuer schnauben können, dann hätte er es getan.
Mühselig folgten sie ihm während er sie immer noch mit einem vernichtenden Blick tadelte.
Ich blieb noch etwas zurück, um mich den Augen der anderen zu entziehen. Sally wartete nicht auf mich. Was hatte ich mir nur bei dieser sinnlosen Aktion gedacht? Ich wollte unbedingt Jakes Aufmerksamkeit auf mich ziehen, weil ich ihn so sehr brauchte – und jetzt . . . hatte ich die Aufmerksamkeit von allen, außer von Jake, der mich weiterhin ignorierte, genauso wie Sally es nun tat.
Hastig band ich mir meine Haare wieder zusammen. Meine Augen füllten sich mit Tränen, die ich krampfhaft versuchte, zurückzuhalten.
„Mach’ dir nichts draus, Kleine!“ Dexter sah mich mitleidig an. „Die müssen das erst einmal verdauen. Du wirst schon sehen, bis heute Abend haben sich alle wieder eingekriegt.“
Ich lächelte ihn dankbar an. Wer fragte mich eigentlich, wie ich das Ganze verdaute! Noch nie hatte ich mich so einsam, so allein gelassen gefühlt.
Dexter ritt die ganze Zeit schweigend neben mir her. Ab und zu warf er mir einen besorgten Blick zu und lächelte mich aufmunternd an.
Als es schon längst dunkel geworden war, ließ uns Grimmt für das Nachtlager absitzen.
Ich wusste nicht, wo ich hinsollte, wo ich hingehörte.
Zu meinen Freunden wollte ich mich nicht setzen, denn Sally hatte mir mit ihrem Verhalten deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht willkommen war. Jake saß wie immer mit Grimmt und Dexter zusammen. Die restlichen Menschen saßen gruppenweise, genau wie die Unsterblichen, die noch da waren. Ich gehörte zu keinen von ihnen.
Ich war kein Mensch. Ich war keine Unsterbliche. Ich war allein . . .
Dexter winkte mich zu ihnen hinüber, doch ich wollte kein Mitleid. Ich schüttelte tapfer mit dem Kopf.
Jake sah in dem Moment zu mir auf, als ich mich traurig umdrehte und davonging.
Ich setzte mich weit abseits von den anderen an einen Baum, blieb aber in Sichtweite. Auf keinen Fall wollte ich Jake noch mehr verärgern.
Es war Vollmond in dieser Nacht. Die Sterne konnte man nur undeutlich erkennen, da es so hell war. Kleine Wolken streiften die silberne Kugel beim Vorüberziehen. Je länger ich den Mond betrachtete, desto größer schien er zu werden.
Ich lehnte meinen Kopf an den Baumstamm und beobachtete die wankenden Äste über mir. Außer dem Wind, der mit den Blättern spielte, war nichts zu hören. Mir fielen die Augen zu.
Marlon tauchte hinter mir auf und setzte sich neben mich.
Das hatte mir jetzt gerade noch gefehlt. Es war der krönende Abschluss des Tages.
„Ich mag Frauen mit Geheimnissen“, hauchte er mir zu.
Puh . . . schlimmer ging es wirklich nicht mehr. „Lass mich in Ruhe, Marlon!“, forderte ich ihn auf ohne ihn
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