Verwandte Seelen
meine Frau auf!“ forderte er ihn auf.
Grimmt nickte ihm zu. „Ich werde sie mit meinem Leben beschützen.“
Ich hielt Jake verzweifelt fest. „Was hast du vor?“
„Wir müssen ins Dorf. Die Menschen brauchen unsere Hilfe.“
„Aber . . . aber . . . wenn Dougal noch da ist . . .“, weinte ich.
„Das Risiko müssen wir eingehen. Du hörst sie doch!“
Natürlich hörte ich sie – laut und deutlich. Doch wenn Dougal noch da war . . . konnte das den Tod von Jake bedeuten.
„Es ist doch besser noch zu warten, bis es hell ist!“, wimmerte ich.
„Wir können nicht länger warten.“
„Ja, du hast recht, aber ich komme mit! Ich will helfen!“
Nun schaute er mir tief in die Augen. „Du wirst dich hier nicht vom Fleck rühren, es sei denn, Grimmt fordert dich dazu auf . . . Hast du mich verstanden, Sam?“
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf.
Jake atmete hörbar ein und schüttelte mich. „Kannst du bitte einmal, nur einmal – tun, was ich dir sage!“
„Was, wenn du nicht zurückkommst?“, stotterte ich aufgeregt.
„Ich komme zurück!“, versprach er mir. „So schnell ich kann.“
Er küsste mich. Mit einem letzten mahnenden Blick in Grimmts Richtung machte er sich davon. Die Finsternis verschluckte ihn so schnell, dass ich nicht sagen konnte, in welche Richtung er gegangen war. Doch selbst wenn ich es gesehen hätte, so wäre es mir unmöglich gewesen, ihm zu folgen. Grimmt hielt mich mit seinem eisernen Griff fest.
Schluchzend weinte ich in seiner Umarmung. Vergeblich versuchte er, mich zu beruhigen.
„Jake ist im Handumdrehen wieder da. Du wirst schon sehen!“
. . . Grimmt hatte sich geirrt. Es musste mindestens schon eine Stunde vergangen sein, seit Jake und Silas weg waren. Ich drehte vor Sorge fast durch.
Die Schreie hatten nachgelassen. Nur hin und wieder hörte man noch ein Kind weinen. Grimmt versicherte mir, dass dies ein gutes Zeichen war. Doch er ignorierte meinen Wunsch, ihnen ins Dorf zu folgen.
Es wurde inzwischen hell. Er versuchte, seine Sorglosigkeit aufrecht zu erhalten. Ich kannte ihn allerdings gut genug, um ihm das nicht länger abzunehmen.
„Sie müssten längst wieder zurück sein“, jammerte ich gerade, als einer von Silas Männern plötzlich vor uns auftauchte.
„Die Luft ist rein. Ihr könnt jetzt ins Dorf folgen!“, sagte er zu Grimmt.
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da war ich schon auf den Beinen und riss mich von Grimmts festen Griff los, mit dem er mich die ganze Zeit festgehalten hatte.
„Sam! Warte!“, rief er mir hinterher. Doch nun war ich nicht mehr zu halten. Ich rannte so schnell ich konnte zum Dorf . . . zu Jake. Kein normaler Mensch hätte mit diesem Tempo mithalten können, nur der Unsterbliche, der mir statt Grimmt gefolgt war und neben mir herrannte.
Jake beugte sich gerade über ein verletztes Kind. Er träufelte einen Tropfen seines silbernen Blutes auf eine Platzwunde am Kopf. Verdutzt sah er auf, als wir auf ihn zuhetzten und übergab das kleine Mädchen vorsichtig seiner Mutter.
Er lief mir entgegen. Ungebremst sprang ich in seine Arme, wobei ich ihn fast umriss.
„Es geht mir gut“, flüsterte er liebevoll in mein Ohr und bedeckte mein Gesicht mit federleichten Küssen.
„Ich hatte solche Angst um dich . . .“
Erst jetzt sah ich mich um – und erstarrte.
Das Dorf war völlig zerstört. Noch immer brannten Häuser, von denen dichte schwarze Rauchschwaden in den Himmel aufstiegen. Die Menschen hockten zum Teil schwer verletzt auf dem rußigen Boden und weinten um ihre Toten, die verstreut zwischen ihnen lagen. Es war schrecklich . . .
Entsetzt schloss ich die Augen. Wie konnte jemand nur zu so einer Grausamkeit fähig sein!
„Kann ich irgendwie helfen . . . Kann ich irgendetwas tun?“, hörte ich mich fragen. Meine Stimme brach.
Jake hielt mich ganz fest an seine Brust gedrückt und schüttelte nur mit dem Kopf.
„Wir haben schon alles getan, was uns möglich war“, erwiderte er traurig.
Grimmt und die anderen erreichten nun auch das brennende Dorf und hielten erschüttert inne.
Silas trat zu uns. Er war außer sich. Fassungslos ließ er seinen Blick immer und immer wieder über die Menschen schweifen, die seine Nachbarn – seine Freunde waren.
„Dougal ist außer Kontrolle“, sagte er schließlich. „Es ist völlig egal, was wir tun oder nicht tun – Dougal will Krieg.“ Seufzend ging er in die Knie und ließ die schwarze Erde durch seine Finger gleiten. „Er wird die Menschen und alle
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