Verwechslungsspiel in Griechenland
hörte sie eine Frauenstimme laut und befehlend unverständliche Worte sagen. Jemand legte ihr sanft eine Hand auf die glühend heiße Stirn und zog sie schnell wieder fort. Ria wurde hochgehoben, grelles Licht drang schmerzhaft durch ihre geschlossenen Lider, dann wurde es dunkel, der Lärm hörte auf, sie wurde auf weiche Kissen gelegt und atmete kühle, frische Luft. Sofort sank sie in tiefen, traumlosen Schlaf.
3. KAPITEL
R ia erwachte von Hundegebell. Sie lag in einem großen, sonnendurchfluteten Zimmer. Weiße Spitzengardinen bewegten sich leicht im warmen Wind, und durch die offene Glastür drang warme, sommerlich duftende Luft herein.
Schläfrig bewegte Ria den Kopf auf dem Kissen. Ihre Umgebung verwirrte sie. Sie konnte sich nur undeutlich erinnern, was geschehen war.
“Geht es dir besser?”, fragte jemand leise und sanft in fast akzentfreiem Englisch. “Hab keine Angst.”
Ria drehte den Kopf zur Seite. In einem großen Korbsessel neben dem breiten Bett saß eine Frau mittleren Alters. Sie lächelte sie warm an und ergriff ihre Hand.
“Wo bin ich?” Ria versuchte sich aufzusetzen, fühlte sich aber zu schwach. Dankbar ließ sie sich in die Kissen zurücksinken.
“Willkommen in unserem Haus, meine Liebe. Ich wünsche mir schon lange, dich kennenzulernen.”
“Sind Sie … bist du Christina?”, fragte Ria unsicher. Diese freundliche, warmherzige Frau war ganz anders als ihr heißblütiger, stolzer Bruder. Christinas blaue Augen blickten sanft, und ihr Gesicht war blass und von Schmerz gezeichnet. Dimitrios hatte nicht übertrieben. Die Krankheit hatte tiefe Spuren bei Christina hinterlassen, und dennoch war zu erkennen, dass sie einmal sehr schön gewesen war.
“Du warst völlig erschöpft, meine Liebe.” Mit geübten Händen schüttelte Christina die Kissen auf. “Der Arzt meinte, dass du vor allem Schlaf brauchtest. Offenbar hatte er recht.”
“Wie lange habe ich denn geschlafen?” Erst jetzt wurde Ria bewusst, dass sie eins ihrer dünnsten Nachthemden trug.
“Du bist vor sechsunddreißig Stunden mit Dimitrios angekommen.” Christinas Stimme wurde eine Spur härter. “Wie mein sonst so kluger und vernünftiger Bruder übersehen konnte, in welchem Zustand du dich befunden hattest, ist mir völlig rätselhaft. Was war denn mit dir los?”
“Ich hatte zu viel gearbeitet”, erwiderte Ria ausweichend.
“Hast du Dimitrios gesagt, dass du dich nicht wohl fühltest?” Christinas Blick wurde durchdringend, und mit einem Mal sah sie ihrem Bruder sehr ähnlich.
Als hätte Ria ihn in Gedanken heraufbeschworen, wurde in diesem Moment die Schlafzimmertür aus schwerer Eiche aufgestoßen, und Dimitrios kam herein. Ihm folgte ein ganzes Rudel Hunde, die laut bellend aufs Bett zustürzten.
Drei winzige Yorkshireterrier leckten Ria mit ihren kleinen rosigen Zungen das Gesicht ab, zwei Spaniels und ein kleiner Hund unbestimmbarer Rasse bellten um die Wette, während ein schöner schlanker Setter sich wohlerzogen vors Bett setzte und Pfötchen gab. Mitten im Zimmer, dicht vor ihrem Herrn, standen ruhig und würdevoll zwei riesige altenglische Schafshunde.
Empört stand Christina auf. “Dimitrios! Schick die Hunde hinaus!”, rief sie über den Lärm hinweg. Schlagartig verstummte das Gebell, die Terrier sprangen vom Bett, und alle Hunde sahen traurig und flehend zu Christina auf.
Ria zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch. Sie spürte Dimitrios’ Gegenwart am ganzen Körper. Ohne es zu wollen, sah sie zu ihm auf, und als sie dem Blick seiner stahlblauen Augen begegnete, erschauerte sie. In dem hellen, sehr weiblich eingerichteten Zimmer wirkte Dimitrios noch männlicher, attraktiver und bedrohlicher.
Wie wird er toben, wenn er erfährt, dass ich ihn die ganze Zeit belogen habe!, dachte Ria ängstlich. Vorausgesetzt, er weiß es nicht schon.
“Guten Morgen”, begrüßte er sie kühl wie immer. “Hast du dich gut erholt?”
“Ja, danke.” Sie riss den Blick von ihm los. “Es tut mir leid, dass ich euch so viele Umstände mache. Ich kann mich an kaum etwas erinnern.”
“Wirklich? Die Fahrt vom Flughafen hierher hast du doch bestimmt nicht vergessen. Wir haben unterwegs kurz Rast gemacht.” Sein unverhohlener Sarkasmus veranlasste Ria, den Kopf zu heben, und als ihre Blicke sich wieder trafen, errötete sie schuldbewusst. Er ließ sie nicht so leicht vergessen, wie mühelos er ihren Widerstand gebrochen hatte und dass sie seine Meinung über sie damit nur noch bestätigt hatte.
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