Verwegene Herzen (German Edition)
schwieg sie. Sie ging die Treppe hinunter, ohne sich nur ein Mal umzusehen.
Er schob den Riegel zurück und öffnete die Tür. Der metallene Riegel fühlte sich für ihn weder kalt noch warm an. Er fühlte gar nichts. Mit steifen Gliedern bewegte er sich, als wäre er innerlich erstarrt. Doch wenigstens wusste er jetzt, was zu tun war.
Meg lag auf dem Strohsack, die Augen geschlossen und in ein Untergewand gekleidet. Ihre Haut schimmerte so weiß wie die Verbände, die sie trug. Will dachte daran, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, auf der Straße nach Nottingham. Sie hatte Angst gehabt, hatte geschrien und gekämpft, aber sie war voller Leben gewesen. Auf dem Scheiterhaufen noch hatte sie vor Lebenskraft gesprüht, voller Kraft und Stärke. Jetzt lag sie da wie eine zerbrochene Puppe, zart, zerbrechlich, nicht einmal willens, den Kopf zu heben, geschweige denn zu kämpfen oder sich zu wehren.
Als er diesen Gegensatz erkannte, wurde er noch sicherer. Er wusste jetzt, dass er die richtige Entscheidung traf.
Mit drei langen Schritten war er bei ihr und beugte sich über sie. Ihr kurzes, offenes Haar fiel um ihr Gesicht wie Blätter im Herbst auf den Waldboden. Als er sich bei diesem Gedanken ertappte, wusste Will, dass er zu viel Zeit im Wald verbracht hatte. Aber die Bilder von Meg, von den Bäumen und von wilder, ungezähmter Natur vermischten sich, bis die Wälder nicht mehr furchteinflößend wirkten.
„Genug davon, Meg. Steh auf.“
Sie öffnete die Augen, suchte nach seinem Gesicht.
„Ich sagte, steh auf.“
„Will? Was tust du hier? Wo ist Alice?“
Er presste die Lippen zusammen und sah sich im Raum um, bis er das geliehene blaue Kleid über einem Stuhl liegen sah. Mit einer einzigen Bewegung holte er es und kniete neben ihr nieder. „Ich will, dass du aufstehst. Ich will, dass du dich anziehst.“
Sie schüttelte den Kopf, als er sie zum Sitzen hochzog. Er schloss das Band ihres Untergewandes am Hals und versuchte, nicht auf ihre runden Brüste zu achten, die seinen Fingern so nahe waren. Noch einmal holte er tief Luft und zog sie dann auf die Füße. Sie schwankte. Da packte er sie unter den Armen und zog ihr das blaue Kleid an. Nur als er behutsam ihre verbundenen Hände durch die Ärmel zog, ging er langsamer vor.
„Will, warum? Was tust du da?“ Wachsam drehte sie ihm das Gesicht zu.
„Deine Erholungszeit ist vorbei, Meg. Du kommst mit mir.“
„Dazu hast du kein Recht.“
Ihre finstere Miene sprach Bände. Doch er wollte noch mehr Widerstand sehen. „Ich bin dein Gemahl. Und ich nehme mir dieses Recht.“
Er hob sie hoch und legte sie sich über die gesunde Schulter, ohne auf ihre wüsten Beschimpfungen zu achten. Sie stieß ihm ihre Ellenbogen zwischen die Schulterblätter und zappelte mit den bloßen Füßen vor seinem Gesicht. Sie wand sich, schrie und kämpfte, aber er hielt sie fest, schlang die Arme um ihre Taille und ihre Hüften.
„Will! Lass mich los!“
Er grinste nur. Seine Sorgen lösten sich in Nichts auf. Will konnte sich nicht erinnern, wann er in der letzten Zeit etwas mit mehr Gewissheit empfunden hatte. Diese Gewissheit brachte ihm Frieden.
Er verstärkte seinen Griff und begab sich mit ihr zu den Stallungen.
33. Kapitel
„Ich bin keine von deinen zarten Nordfrauen,
die nur für Stickereien gut sind
und vielleicht damit hausieren gehen,
unterstützt von Männern.“
– Maid Marian
The Foresters: Robin Hood and Maid Marian
Alfred Lord Tennyson, 1982
H och über dem Boden hockte Meg im Sattel, hielt nur mit Schenkeln und Rücken das Gleichgewicht. Sie hatte beide Hände unter die Arme geschoben und konnte wegen der Verbände den Sattelknauf nicht festhalten. Eine unbedachte Bewegung, und sie würde hart auf den Boden fallen, ein Sturz, der ihr Schmerz verursachen würde und sehr peinlich wäre.
„Steig ab.“ Will stand vorn neben dem Kopf des Pferdes und sprach in scharfem Ton mit ihr. Kaum vermochte sie, in seiner Stimme die ihres frisch angetrauten Ehemanns zu erkennen.
Abscheu und Verwirrung brachten sie beinahe dazu, laut aufzuschreien. Doch die Resignation war stärker, und ihre Apathie erstickte jeden Laut. Es war ihr egal, was geschah.
„Ich warte, Meg.“
„Warum tust du das?“
„Weil ich sehr erschöpft bin“, erklärte Will. „Ich bin es leid, auf Zehenspitzen um dich und deine Verletzungen herumzuschleichen, voller Angst, du könntest dich in Luft auflösen. Die seltsame Frau, die seit vierzehn Tagen nicht ihr
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