Verwegene Herzen (German Edition)
Jagd,
darauf erpicht, den andren zu schlagen,
an Arm oder Bein, ohne Verzagen.
„Robin Hood and the Tanner“
Ballade, 17. Jahrhundert
M arian wischte sich die Tränen ab, die sie nicht hatte zurückhalten können. Der schnelle Rhythmus ihrer klackernden Absätze hallte durch den Gang. Sie traf Will, als er gerade aus dem Gemach trat, das er mit Meg teilte.
Er runzelte die Stirn. „Marian? Was ist geschehen?“
„Halt dich von ihr fern!“
Sie drehten sich gleichzeitig um und sahen, wie Robin den Gang herunter kam. Seine Miene drückte Zorn und Schmerz aus, was dem Mann, den sie liebte, so gar nicht ähnlich war. Er hob sein Schwert.
„Robin! Leg das weg!“
„Aus dem Weg, Marian. Ich habe etwas mit meinem Neffen zu klären.“
„Das lasse ich nicht zu.“
„Du schlägst dich auf seine Seite?“
Sie warf einen Blick auf das Schwert in Robins Faust. Panik ergriff sie. „Ja, wenn du es zu deiner Angelegenheit machst, einen unbewaffneten Mann anzugreifen.“
Marian zuckte zusammen, als Stahl über den Marmorfußboden klirrte. An der Wand kam Wills Dolch zum Still stand. „Jetzt bin ich unbewaffnet“, sagte Will.
Robin schnaubte verächtlich. „Weigerst du dich, zu kämpfen?“
„Ich werde mich verteidigen, wenn ich muss.“
Zwischen den beiden aufgebrachten Männern baute sich eine ungute Stimmung auf. Marian wich zurück und griff sich zitternd an die Kehle. „Robin, bitte. Nicht so.“
„Halte dich zurück.“
Den Blick unablässig auf seinen Gegner gerichtet, nickte Will. „Er hat recht, Marian. Stell dich nicht zwischen uns. Nicht jetzt.“
„Ihr seid Narren, alle beide!“
Robin griff an und holte mit der tödlichen Klinge in hohem Bogen aus. Will sprang zurück und landete auf der Seite. Das Schwert traf auf eine der Säulen. Sofort sprang Robin nach vorn. Will rollte sich weg und trat zu, schlang die Füße um die Knöchel seines Onkels. Robin stieß mit der Schulter gegen die Wand, ließ das Schwert fallen, hielt sich aber auf den Füßen.
Eine Tür ging auf. „Will? Was ist los?“
Marian eilte an Megs Seite, um sie von dem Kampf fernzuhalten, doch der Klang ihrer Stimme hatte Will schon abgelenkt. Robin traf mit dem Fuß Wills Magen, dann sein Gesicht. Der jüngere Mann stöhnte und krümmte sich. Aus seinem Mund spritzte Blut.
Bei jedem Schlag wurde Megs Gesicht bleicher. „Was geschieht hier? Will!“
„Bring sie weg, Marian!“
Doch Wills Befehl stärkte noch den Widerstand seiner Frau. Sie riss sich los. Marian packte sie, drängte sie zu Boden und kauerte sich mit ihr zusammen in dem Gang an die Wand. „Haltet Euch an mir fest, Meg. Sie …“
Dann bemerkte sie das Aufblitzen einer Klinge.
„Robin!“ Sie ließ Meg zurück, packte ihren Mann am Arm und hinderte ihn so an dem tödlichen Schlag. „Hast du den Verstand verloren? Das sieht dir gar nicht ähnlich!“
„Ich sagte, halte dich da heraus!“
„Sieh ihn dir an!“
Mit schmerzverzerrter Miene presste Will die Hände auf den Bauch und erhob sich mühsam auf die Füße. Sein Gesicht war blutverschmiert, ebenso wie die Vorderseite seiner Tunika, aber Robin war unbeeindruckt. Er schüttelte Marian ab und stieß sie gegen die Wand. Sie schrie auf.
Will nutzte den Moment und boxte Robin aufs Ohr. Dann trat er zu und traf mit aller Kraft Robins Hand. Klirrend fiel dessen Schwert herunter. Ein weiterer Hieb traf Robin zwischen die Augen. Sein Kopf schlug gegen die Wand, dann sank er zu Boden.
Marians erster Impuls war, sich auf ihren Mann zu werfen, ihn vor noch mehr Schmerz zu beschützen. Aber Will gab ihr dafür keinen Anlass. Kaum war Robin zu Boden gegangen, wich Will zurück, und der Kampf war zu Ende. Irgendwann hatte er den Dolch vom Boden aufgehoben, der jetzt an seinem Gürtel hing.
Marian kniete neben ihrem Mann nieder und beobachtete Will, der erschöpft schien, aber keine Spur von Angriffslust zeigte. In seiner Raserei hatte Robin nicht bemerkt, welch ein gefährlicher Mann sein Neffe geworden war – gefährlich, aber fair.
„Genug, Will“, sagte sie. „Bitte.“
Er ließ Robin weiterhin nicht aus den Augen. „Ich habe Feinde, Onkel. Mehr als mir lieb ist. Aber du gehörst nicht dazu.“
Robin spuckte aus. Durch die gebrochene Nase klang seine Stimme belegt, als er sagte: „Du bist schlimmer als ein Feind. Ein Verräter in meinem eigenen Haus!“
Will nickte und ließ die Schultern hängen wie ein Besiegter. „Ich bete darum, dass du mir das verzeihen mögest, denn ich bin
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