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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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nicht wahr?»
    Ich war so vertieft gewesen, dass ich Wainwright nicht bemerkt hatte. Der forensische Archäologe trug teure, aber abgetragene Outdoorkleidung und hatte sich dandyhaft einen Schal um den Hals geworfen. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Stimme zu senken, und seine Worte waren in der Stille bestimmt weit zu hören gewesen.
Das war’s dann wohl
, dachte ich, als Monks Kopf zu uns herumschnellte.
    Die Fotos, die ich gesehen hatte, wurden ihm nicht gerecht. Die Delle in seiner Stirn sah in natura wesentlich schlimmer aus. Man hatte den Eindruck, er wäre mit einem Hammer geschlagen worden und hätte irgendwie überlebt. Seine Gesichtshaut war völlig vernarbt, und eine verschorfte Schramme auf der Wange deutete darauf hin, dass zumindest ein paar Narben jüngeren Datums waren. Sein schiefer Mund war zu diesem Halblächeln verzogen, so als würde er den Abscheu, den er provozierte, verstehen und sich gleichzeitig darüber lustig machen.
    Am beunruhigendsten aber waren seine Augen. Kleine, ausdruckslose Glaskugeln, die nie zu blinzeln schienen.
    Mir lief ein Schauer über den Rücken, als er mich kurz anschaute, doch ich war nur von flüchtigem Interesse. Sein leerer Blick wanderte zu Sophie, verharrte dort einen Moment, ehe er sich auf Wainwright konzentrierte.
    «Was gibt’s da zu glotzen?»
    Der Tonfall war regional gefärbt, doch ansonsten war die Stimme eine Überraschung, denn sie klang zwar schroff, aber gleichzeitig auch verwirrend weich. Wainwright hätte es dabei belassen sollen. Doch der Archäologe war es nicht gewohnt, dass man so mit ihm sprach. Er schnaubte verächtlich. «Mein Gott, es kann sprechen!»
    Monks Fußfesseln spannten sich, als er einen schwerfälligen Schritt auf Wainwright zu machte. Weiter kam er nicht, denn sofort packten die zwei Vollzugsbeamten seine Arme. Obwohl beide große Männer waren, wirkten sie neben dem Häftling wie Zwerge. Ich sah, wie sehr sie sich anstrengen mussten, um ihn festzuhalten.
    «Komm schon, Jerome, benimm dich», sagte einer von ihnen, ein älterer Mann mit grauem Haar und faltigem Gesicht. Der Mörder starrte Wainwright ungerührt an, während seine gefesselten Hände vor ihm herabhingen. Seine Schultern und Oberarme waren so massig, als hätte er sich Bowlingkugeln unter die Jacke gesteckt. Mit seinen schwarzen Augen fixierte er den forensischen Archäologen. «Ha ben Sie einen Namen?»
    Als die Konfrontation begann, hatte Terry nur erschrocken zugesehen, doch jetzt trat er hervor. «Sein Name geht Sie nichts an.»
    «Schon in Ordnung. Wenn er wissen will, mit wem er eszu tun hat, meinetwegen», entgegnete Wainwright, baute sich vor dem Häftling auf und starrte ihn herausfordernd an. «Ich bin Professor Leonard Wainwright, ich bin verantwortlich für die Bergung der Leichen der jungen Frauen, die Sie ermordet haben. Und wenn Sie auch nur ein bisschen Verstand haben, dann rate ich Ihnen dringend, mit uns zusammenzuarbeiten.»
    «Mein Gott», hörte ich Sophie neben mir raunen.
    Monks Mund verzog sich. «Professor», sagte er höhnisch, als hätte das Wort einen schlechten Geschmack. Ohne Vorwarnung schwenkte sein Blick plötzlich zu mir. «Wer ist das?»
    Da Terry nicht mehr weiterzuwissen schien, antwortete ich selbst. «Ich bin David Hunter.»
    «Hunter», wiederholte Monk. «Der Jäger. Ein bedeutungsvoller Name.»
    «Genauso wie Monk», sagte ich automatisch.
    Der Blick seiner schwarzen Augen bohrte sich in mich. Dann hörte ich ein leises Schnaufen. Monk lachte. «Ein Klugscheißer, was?»
    Erst jetzt starrte er Sophie an, doch Terry ließ ihm keine Gelegenheit, sich nach ihr zu erkundigen.
    «Na schön, Sie sind vorgestellt worden.» Er bedeutete den Wachleuten, ihn wegzuführen. «Los, wir haben nicht ewig Zeit.»
    «Du hast gehört, was er gesagt hat, du Spaßvogel.» Der zweite Vollzugsbeamte, ein breiter Typ mit einem Bart, wollte Monk wegziehen, aber da hätte er sich auch an einer Statue versuchen können. Der Häftling riss den Kopf herum und starrte ihn mit seinem Echsenblick an. «Hör auf, an mir rumzuzerren, verdammte Scheiße.»
    War die Atmosphäre bislang schon angespannt gewesen, war sie nun regelrecht aufgeladen. Ich konnte sehen, wie sich Monks Brustkorb hob und senkte, als sich seine Atmung beschleunigte. In seinem Mundwinkel hing eine Speichelblase. Dann schob sich ein Mann durch das Spalier der Polizeibeamten, den ich vorher nicht bemerkt hatte. «Detective Inspector, ich bin Clyde Dobbs, Mr.   Monks Anwalt.

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