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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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starrte mich erst verdutzt an und blinzelte dann. «Tut mir leid», sie setzte sich auf. «Habe ich etwa gesabbert?»
    «Nur ein bisschen.»
    Sie lächelte und holte nach mir aus. «Quatsch.»
    «Warum gehst du nicht ins Bett?»
    «Ich bin eine tolle Gastgeberin, oder?», sagte sie, gab sich aber geschlagen. Als sie aufstand und mir eine Hand auf die Schulter legte, kam sie leicht ins Schwanken. «Hui   …»
    «Ganz ruhig», sagte ich und stand auf, um sie zu stützen. «Alles in Ordnung?»
    «Ich bin nur müde, glaube ich. Wahrscheinlich bin ich zu schnell aufgestanden.»
    Sie hielt sich noch immer an mir fest. Ich hatte meine Hände an ihre Hüfte gelegt und war ihr so nah, dass ich die Wärme spürte, die sie ausstrahlte. Wir rührten uns beide nicht. Sophies Augen waren groß und dunkel, als sie sich an mich schmiegte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
    «Tja   …», sagte sie, und in dem Moment knallte etwas gegen das Fenster.
    Wir schreckten auseinander. Ich lief zu den schweren Vorhängen und riss sie auf. Es hätte mich nicht überrascht, wenn mich Monks albtraumhafte Fratze angestarrt hätte, doch das Fenster war heil, und niemand war zu sehen. Alles, was ich dahinter erkennen konnte, war eine dichte Nebelwand.
    «Was war das?», fragte Sophie, die direkt hinter mir stand.
    «Wahrscheinlich nichts.»
    Es war eine absurde Bemerkung, besonders da mein Herz wild pochte.
Monk kann uns nicht bis hierher verfolgt haben. Oder?
Aber er hätte uns gar nicht verfolgen müssen. Sophie hatte ja ihre Adresse auf die Briefe geschrieben.
    «Bleib hier», forderte ich sie auf.
    «Willst du etwa rausgehen?»
    «Ich will nur nachschauen.» Die Alternative wäre gewesen, sich die ganze Nacht im Haus zu verkriechen und sich zu fragen, was gegen das Fenster geknallt war. Wenn es nichts war, könnten wir uns beruhigen. Wenn es Monk war   … Dann wäre es jetzt auch schon egal.
    Ich nahm den schweren Schürhaken, der neben dem glühenden Ofen stand, und ging in den Flur. Sophie lief in die Küche und kam mit einer laternenartigen Taschenlampe zurück.
    «Verschließ die Tür hinter mir», sagte ich und nahm die Taschenlampe.
    «David, warte   …»
    Doch ich trat bereits hinaus in den Nebel. Die Luft war kalt und feucht und roch nach Lehm und vermodertem Laub. Zitternd bereute ich, dass ich meine Jacke nicht angezogen hatte. Der Strahl der Taschenlampe verlor sich in der Nebelwand. Dicht ans Haus gepresst, bahnte ich mir einen Weg zum Wohnzimmerfenster. Der Schürhaken in meiner Hand fühlte sich plötzlich leicht an, und ich ahnte, dass ich vielleicht einen Fehler gemacht hatte.
Was willst du tun, wenn tatsächlich jemand hier draußen ist? Wenn es Monk ist?
    Aber nun war es zu spät. Vor mir konnte ich einen dunstigen Schimmer sehen, dort musste das Fenster sein. Ich ging schneller und wollte es hinter mich bringen.
    Da sah ich, dass sich vor mir auf dem Boden etwas bewegte.
    Ich strauchelte zurück, hob den Schürhaken und streckte gleichzeitig die andere Hand mit der Taschenlampe aus. Plötzlich wieder eine kurze, hastige Bewegung direkt vor mir, und dann erkannte ich, was es war.
    Im Strahl der Taschenlampe blinzelte eine Eule zu mir hoch. Ich senkte den Schürhaken und kam mir albern vor. Der Vogel war gespenstisch blass, das Gesicht beinahe weiß. Er kauerte unbeholfen mit ausgebreiteten Flügeln im Gras unter dem Fenster. Die dunklen, undurchdringlichen Augen blinzelten wieder, doch er machte keine Anstalten, sich zu rühren.
    «Das ist eine Schleiereule.»
    Erschrocken drehte ich mich um. Ich hatte Sophie nicht kommen gehört. «Ich dachte, du wolltest drinnen warten?»
    «Das habe ich nicht gesagt.» Sophie war vernünftiger gewesen als ich, jedenfalls hatte sie eine Jacke angezogen. Sie hockte sich neben den verletzten Vogel. «Ein Glück, dass das Fenster nicht kaputtgegangen ist. Armes Ding. Der Nebel muss sie verwirrt haben. Was sollen wir jetzt machen?»
    «Wahrscheinlich ist sie nur benommen», sagte ich. Die Eule starrte stur geradeaus, entweder wollte sie uns mit Missachtung strafen, oder sie war zu betäubt. «Wir sollten sie nicht anfassen.»
    «Aber irgendwas müssen wir tun!»
    «Wenn sie sich wehrt, verletzen wir sie vielleicht noch mehr.» Außerdem war die Eule, ob verletzt oder nicht, schließlich noch immer ein Raubvogel. Ihr Schnabel und die Krallen waren bestimmt ziemlich scharf.
    «Ich lasse sie hier nicht einfach liegen», sagte Sophie in einem Ton, den ich mittlerweile schon kannte. Ich

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