Verwesung
und grinste schelmisch. «Aber frühstücken wir erst einmal. Und bevor du fährst, kannst du mir noch deine Narbe zeigen.»
Aber ihre gute Laune war nicht von Dauer. Wieder wirkte sie abgelenkt und stocherte lustlos in ihrem Essen. Ich bot ihr Hilfe beim Abwasch an, doch sie lehnte ab. Da ich den Eindruck hatte, dass sie allein sein wollte, ging ich duschen und packte meine Sachen zusammen.
Ich fragte mich, ob ihr erst jetzt klarwurde, dass sie dieses Mal nicht an der Suchaktion beteiligt sein würde. Aus irgendeinem Grund war es für Sophie zu einem persönlichen Kreuzzug geworden, die Gräber von Zoe und Lindsey Bennett zu finden, doch sie war keine Polizeiberaterin mehr. Im Grunde hatte sie seit dem Moment, als wir beim Black Tor Monks Löcher entdeckt hatten, nichts mehr mit dem Fall zu tun. Nun würde die Polizei übernehmen, und sie war nur Zuschauerin.
Loslassen ist nie leicht.
Ich trug meine Tasche nach unten. Als ich in die Küche kam, lief das Radio. Sophie stand vor der Spüle, ihre Hände hingen reglos im Wasser.
«Kann ich noch etwas …?», begann ich.
«Pst!», unterbrach sie mich. Erst jetzt achtete ich darauf, was im Radio gesagt wurde.
«… Polizei den Namen des Opfers nicht bekanntgegeben, es wurde jedoch bestätigt, dass von einem Gewaltverbrechen ausgegangen wird. Weitere Nachrichten …»
Sophies Gesicht war weiß. «Hast du gehört?»
«Nur den letzten Teil.»
«Ein Mord in Torbay. Sie haben nicht gesagt, wer ermordet wurde, aber es war in der Nähe von Sharkham Point. Wohnt dort nicht …?»
Ich nickte. Und in dem Moment wusste ich, dass ich doch nicht abreisen würde.
Denn dort wohnte Wainwright.
Kapitel 18
Von Padbury nach Sharkham Point fuhr man kaum eine Stunde. Sophie hatte darauf bestanden hinzufahren, und ich wollte auch wissen, wer das Mordopfer war. Ich hatte sofort Terry angerufen, doch er war nicht ans Telefon gegangen. Da er bestimmt an den Tatort gerufen worden war, hatte mich das nicht überrascht. Ich sagte mir, Morde passierten jeden Tag, und Zufälle ebenso, es musste nicht Wainwright sein.
Aber ich glaubte mir selbst nicht.
Als ich vor zwei Tagen nach Torbay gefahren war, hatte vom klaren blauen Himmel die Sonne gestrahlt. Jetzt war es bewölkt, und die Landschaft sah trist und farblos aus. Wir kamen an grauen Stoppelfeldern, gepflügten, morastigen Äckern und kahlen Bäumen vorbei, an denen nur noch vereinzelt welke Blätter hingen und die wie Vogelscheuchen aussahen.
Während der Fahrt sprachen weder Sophie noch ich viel. Sie starrte aus dem Fenster, offenbar genauso gedankenverloren wie ich. Erst als wir die Küste erreichten und jenseits der Klippen das unruhige Meer sahen, rührte sie sich. Ich konnte mir vorstellen, was sie dachte: Bald würden wir Gewissheit haben.
Dann kamen wir ans Ortsschild von Sharkham Point, und kurz dahinter konnten wir die Blaulichter sehen.
Sophie legte eine Hand an ihren Hals. «O Gott. Ist das Wainwrights Haus?»
Mir wurde flau im Magen. «Ja.»
Die Straße war abgesperrt, das Plastikband flatterte im Wind. Am Straßenrand dahinter parkten Polizeiwagen und ein paar Transporter von Fernsehteams. In der Auffahrt zum Haus stand ein Krankenwagen mit ausgeschaltetem Blaulicht. Es gab keine Dringlichkeit mehr.
Ich parkte etwas abseits von der Absperrung. «Was sollen wir machen?», fragte Sophie, alles Selbstvertrauen schien sie verlassen zu haben.
«Jetzt sind wir hier und werden uns erkundigen», sagte ich und stieg aus dem Wagen.
Vom Meer wehte ein steifer Wind über die Klippen. Doch der Salzgeruch konnte die Abgase nicht ganz übertünchen. Irgendwo in der Nähe brummte ein Generator. Als wir näher kamen, stellte sich uns ein Polizist in einer leuchtend gelben Jacke in den Weg.
«Die Straße ist gesperrt.»
«Ich weiß. Mein Name ist David Hunter. Ist DI Connors hier?», fragte ich.
Er musterte uns einen Augenblick und sprach dann in sein Funkgerät. «Hier ist ein David Hunter und fragt nach …»
«Detective Inspector Terry Connors», sagte ich, als er mich fragend anschaute.
Er wiederholte es und wartete. Es dauerte lange, ehe eine knisternde Stimme etwas sagte. Er ließ das Funkgerät sinken.
«Tut mir leid.»
«Heißt das, er ist nicht hier oder er will uns nicht sehen?», schaltete sich Sophie ein, bevor ich etwas sagen konnte.
Der Polizist betrachtete sie kühl. «Das heißt, dass Sie gehen müssen.»
«Wer ist tot? Professor Wainwright oder seine Frau?»
«Sind Sie
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