Verwesung
fühlst du dich?», fragte ich, als sie sich erschöpft die Jacke auszog.
«Ich hatte schon bessere Zeiten.» Ihr Lächeln war nicht sehr überzeugend. «David, wegen dieser Sache mit Cath Bennett … Es tut mir wirklich leid, das war unüberlegt.»
Nach allem, was passiert war, schien das nicht mehr wichtig zu sein. «Vergessen wir es. Und ansonsten hattest du recht. Monk hat diese Löcher nicht ohne guten Grund ausgehoben. Es muss dort mindestens noch ein weiteres Grab geben. Die Polizei wird die gesamte Gegend erneut absuchen müssen.»
Sie schaute mich an, als wäre ihr dieser Gedanke noch nicht gekommen. «Glaubst du wirklich?»
«Meiner Meinung nach haben sie keine Wahl. Im Grunde hat uns Monk gesagt, wo man suchen muss. Das wolltest du doch, oder?»
«Ja, natürlich.» Sie klang nicht sehr zuversichtlich. «Gott, ich brauche jetzt wirklich einen Drink.»
«Ich auch, aber ich denke, es wäre vernünftig, heute woanders zu übernachten.»
Sophie hatte sich auf die Treppe gesetzt und schnürte ihre verdreckten Stiefel auf. Sie hielt inne und sah mich abweisend an. «Nein.»
«Du könntest in ein Hotel gehen …»
«Ich gehe nirgendwohin.»
«Du bist hier bereits einmal überfallen worden, und wir wissen immer noch nicht, von wem. Wenn es Monk war …»
«Wenn es Monk gewesen wäre, wäre ich jetzt tot. Das weißt du genauso gut wie ich. Wenn du weglaufen willst, bitte schön, ich werde es jedenfalls nicht tun!»
Ich starrte sie verdutzt an.
Wieso diese Verbitterung?
Sophie seufzte. «Entschuldige, das ist unfair. Ich bin nur … Ich habe Angst und bin durcheinander, aber ich bin hier zu Hause! Wenn ich jetzt gehe, werde ich mich hier nie wieder sicher fühlen. Verstehst du das?»
Natürlich konnte ich das verstehen. Was nicht hieß, dass ich einer Meinung mit ihr war, aber es war zwecklos zu streiten. «Okay.»
«Danke.» Sie stand auf und umarmte mich. Ich hielt sie einen Augenblick fest und spürte die Wärme ihres Körpers, ehe sie wieder einen Schritt zurück machte. «Ich kann manchmal eine Kuh sein, aber ich bin dir dankbar für alles, was du getan hast. Und ich nehme es dir nicht übel, wenn du lieber gehen willst.»
Die Gelegenheit war da, ich musste sie nur ergreifen. Ich hätte jetzt gehen, zurück nach London fahren und die ganze Sache Sophie und der Polizei überlassen können.
Doch ich ging nicht. Alles, was hier geschah, hatte seine Wurzeln in den Ereignissen von vor acht Jahren. Ich war damals beteiligt gewesen und war es immer noch.
Ich lächelte Sophie an. «Du hast was von einem Drink gesagt …»
An diesem Abend kochten wir gemeinsam. In der Gefriertruhefanden wir Lammkoteletts und Erbsen, dazu gab es Kartoffeln. Nicht unbedingt ein Festessen, aber eine einfache und leckere Mahlzeit. Sophie holte eine Flasche Wein, die sie mir zum Öffnen gab, während sie die Koteletts auftaute. «In Padbury gibt es leider keinen Weinhändler», entschuldigte sie sich und schenkte zwei Gläser ein.
«Ach, der wird schon schmecken», sagte ich. Und so war es auch. Der Alkohol nahm uns die letzten Reste unserer Befangenheit, und als Sophie vorschlug, den Abwasch auf morgen früh zu verschieben, hatte ich keine Einwände. Wir nahmen die Weinflasche und gingen ins Wohnzimmer. Ich legte im Ofen Scheite nach und machte mit Hilfe von Holzanzündern und alten Zeitungen ein Feuer.
Du wirst langsam gut darin.
Bald tanzten Flammen hinter der verrußten Glasscheibe und vertrieben die Kälte im Zimmer. Sophie und ich setzten uns jeweils an ein Ende des Sofas. Wir redeten nicht, aber die Stille war angenehm. Ich trank noch einen Schluck Wein und schaute sie von der Seite an. Sie hatte die Beine angezogen und döste mit zurückgelegtem Kopf vor sich hin. Ihr Gesicht sah friedlich und entspannt aus, und im schummrigen Licht des Feuers hätte ihr blauer Fleck auch ein Schatten sein können. In den letzten Jahren war sie wirklich kaum gealtert. Obwohl sie nicht auf konventionelle Art schön war, war sie doch sehr attraktiv. Sie würde auch nach weiteren acht Jahren noch gut aussehen. Oder nach achtzehn.
Sie atmete so langsam und gleichmäßig, als würde sie tief schlafen. Die Hand, die ihr fast leeres Weinglas hielt, war hinabgerutscht, sodass es beinahe zwischen ihren Brüsten lag. Ich wollte sie nur ungern stören, doch das Glas begann ihrmit jedem Atemzug ein bisschen mehr aus den Fingern zu gleiten.
«Sophie …», sagte ich leise. Keine Antwort. «Sophie?»
Langsam wurde sie wach,
Weitere Kostenlose Bücher