Verwesung
Hause.
Erst im Verlauf des Vormittags hörte ich, dass sie sich oben rührte. Als sie runterkam, hatte ich Tee gekocht.
«Morgen», sagte ich und reichte ihr den Becher. «Ich war mir nicht sicher, ob du lieber Tee oder Kaffee trinkst.»
Sie sah verschlafen und ein wenig verlegen aus. Sie trug einen weiten Pullover und Jeans und hatte sich das vom Duschen noch feuchte Haar zurückgebunden. «Tee ist genau richtig. Kaffee trinke ich immer erst, wenn ich mit der Arbeit anfange. Hast du gut geschlafen?»
«Ja», log ich. «Wie fühlst du dich?»
«Meine Wange tut noch ein bisschen weh, aber sonst geht es mir ganz gut.»
«Kannst du dich jetzt erinnern, was passiert ist?»
«Was? Ach so … Nein, es ist alles weg.» Sie ging zum Kühlschrank. «Was ist mit der Eule? Ist sie noch da?»
«Nein. Ich habe vorhin nachgeschaut.»
Sie grinste. «Siehst du? Ich hab ja gesagt, dass sie im Turm gut aufgehoben ist.»
Ich sagte nichts über die Federn auf dem Boden. Weshalb sollte ich Sophie die Laune verderben?
«Es gibt leider kein Brot mehr, aber wie wäre es mit Speck und Eiern?», fragte sie mit einem Blick in den Kühlschrank. «Sind Rühreier in Ordnung?»
Ich bejahte. «Ich dachte, ich breche am Mittag auf», sagte ich, als sie die Eier in eine Schüssel schlug.
Sie hielt kurz inne und begann dann, die Eier zu verrühren. «Du willst weg?»
«Na ja, jetzt, wo Monk im Moor gegraben hat, wird die Polizei die Suche nach Zoe und Lindsey Bennett wiederaufnehmen.» Ich war überrascht, dass sich bis jetzt niemand gemeldet hatte. Selbst wenn Monk noch nicht gefunden worden war, hätte ich erwartet, dass jemand kommen würde, um unsere Aussagen aufzunehmen.
«Wahrscheinlich», sagte Sophie. «Dann hält dich hier nichts mehr, oder?»
Sie stand mit dem Rücken zu mir. Die Pfanne klapperte auf dem Ofen. Die Stille dehnte sich aus und wurde schwer.
«Ich kann länger bleiben. Also, wenn du lieber nicht allein hier sein möchtest.»
«Wieso, nur weil ich überfallen wurde?» Sie warf Speckstreifen in die Pfanne, das heiße Fett zischte. «Ich werde schon irgendwann darüber hinwegkommen. Was anderes bleibt mir auch nicht übrig, oder?»
«Wahrscheinlich war es wirklich nur ein Einbrecher, wie die Polizei gesagt hat.»
«Das macht die Sache ja wesentlich leichter, was?» Als hätte der Speck Schuld an allem, spießte sie ihn mit einer Gabel auf und drehte ihn wütend um. «Ich habe mich hier einmal sicher gefühlt. Obwohl das Haus so abgeschieden liegt, habe ich mich nie so bedroht gefühlt wie in der Stadt. Aber das ist mein Problem, nicht deins.»
«Sophie, ich weiß, wie du dich fühlen musst …»
«Nein, das weißt du nicht.»
Ich zögerte. Eigentlich hatte ich nicht darüber sprechen wollen, aber ich wusste, dass der Überfall für Sophie zu einem Trauma werden könnte, wenn sie nicht aufpasste.
«Doch. Ich wurde letztes Jahr nach einem Fall niedergestochen.»
Sie drehte sich zu mir um. «Das ist nicht dein Ernst, oder?»
Ich erzählte ihr von den Vorfällen auf Runa und wie Grace Strachan Monate später, als wäre sie von den Toten auferstanden, plötzlich vor meiner Tür aufgetaucht war und auf mich eingestochen hatte.
«Und sie ist nie gefasst worden?», fragte Sophie mit großen Augen. «Sie läuft immer noch frei herum?»
«Irgendwo. Die Polizei glaubt, dass sie kurz darauf das Land verlassen hat. Sie und ihr Bruder waren reich, sie hatte wahrscheinlich irgendwo Bankkonten, von denen niemand weiß. Ich könnte mir vorstellen, dass sie mittlerweile in Südamerika oder so ist.»
«Das ist ja schrecklich!»
Ich zuckte mit den Achseln. «Wenn man es von der positiven Seite betrachtet, dann glaubt sie wahrscheinlich,ich wäre tot. Sie hat also keinen Grund, es erneut zu versuchen.»
Kaum hatte ich das ausgesprochen, kam eine abergläubische Unruhe in mir auf.
Fordere das Schicksal nicht heraus.
Sophie hatte die Pfanne vom Feuer genommen. Betroffen schaute sie auf den Speck. «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich nicht in diese Sache hineingezogen.»
«Du hast mich in nichts hineingezogen. Und ich habe dir nur davon erzählt, weil alles so aussieht, als wäre der Überfall auf dich eine einmalige Sache gewesen. Der Einbrecher hat dir eigentlich nichts tun wollen, sonst … tja, sonst wärst du nicht mit einem blauen Fleck davongekommen.»
«Ja, wahrscheinlich.» Sie wirkte nachdenklich und niedergeschlagen. Doch mit einem Mal drehte sie sich um, stellte die Pfanne wieder aufs Feuer
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