Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
folgte ihrem Blick. Keine hundert Meter von uns entfernt stand eine reglose Gestalt und beobachtete uns. Sie schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. In der Nähe waren weder Büsche noch Felsen, hinter denen sie sich versteckt haben konnte. Im Dämmerlicht war sie kaum mehr als eine unbewegliche Silhouette im dichter werdenden Bodennebel. Doch ihre massige Größe kam mir entsetzlich bekannt vor.
    Auf den breiten Schultern saß ein riesiger kahler Schädel.
    Für einen Augenblick schien alles erstarrt zu sein. Dannbegann die Gestalt auf uns zuzukommen. Ich packte Sophie am Arm.
    «Komm.»
    «O Gott, das ist er. Es ist Monk!»
    «Einfach weitergehen.»
    Aber das war leichter gesagt als getan. Das Heidekraut krallte sich wie Stacheldraht an unsere Beine, und über das dunkler werdende Moor breiteten sich wie ein riesiges Spinnennetz Nebelschleier aus. Unter anderen Umständen hätte ich diesen Anblick vielleicht genossen, jetzt aber wurde jeder Schritt tückisch. Wenn einer von uns beiden stürzte oder sich einen Knöchel verdrehte   …
Denk nicht darüber nach
. Ich hielt Sophies Arm fest umklammert und drängte sie zurück zum Weg. Der Wagen war auf der fernen Straße nur als winziger Farbfleck zu erkennen, der sich in der Dämmerung verlor. Er schien so weit entfernt zu stehen, dass mir schlecht wurde. Am liebsten hätte ich den Weg verlassen und wäre quer durchs Moor gelaufen, was zwar eine Abkürzung wäre, aber über die hügelige Heide und durch Morast führte. Letztendlich würden wir nur länger brauchen, und im nachlassenden Licht konnten wir das nicht riskieren.
    Sophie und auch ich waren bereits außer Atem, als ich mich erneut umschaute. Monk war näher als zuvor und schien beständig aufzuholen.
Lass dich nicht ablenken. Geh einfach weiter.
Ich drehte mich wieder um und konzentrierte mich auf den Weg vor uns. Per Telefon um Hilfe zu rufen, war zwecklos. Selbst wenn mein Handy Empfang gehabt hätte, würde niemand rechtzeitig herkommen können. Also stolperten wir weiter über schilfartige Grasbüschel und versackten mit den Stiefeln im Matsch. Als ich erneut einen Blick zurückwarf, sah ich, dass Monk uns nicht mehr folgte.Er versuchte nicht mehr, uns einzuholen, bevor wir den Weg erreichten, sondern lief quer durchs Moor zur Straße.
    Er wollte vor uns am Wagen sein.
    Auch Sophie schien ihn zu sehen. «David   …!», keuchte sie.
    «Ich weiß. Geh einfach weiter.»
    Der Weg war verlockend nah, aber sobald wir ihn erreicht hatten, mussten wir noch zurück zur Straße gelangen. Monk hatte es nicht annähernd so weit. Er bewegte sich mit gleichmäßigen, unaufgeregten Schritten übers Moor.
Gott, wir werden es nicht schaffen.
Als wir an die Böschung direkt unterhalb des Weges kamen, wurde es steiler. Sophie hatte jetzt große Mühe, und ich musste ihr helfen, die letzten Meter hinaufzuklettern, bis wir uns am Heidekraut hochziehen konnten.
    Dann waren wir auf dem festeren Untergrund des Weges. In meiner Brust brannte es, als ich in einen schwerfälligen Trab fiel und sie hinter mir herzog. «Komm!»
    «Moment   … ich   … muss Luft holen   …», japste sie. Ihr Gesicht war blass und verschwitzt. Eigentlich hätte sie sich nicht so bald nach Verlassen des Krankenhauses verausgaben dürfen, aber wir hatten keine Wahl.
    «Wir müssen laufen», sagte ich ihr.
    Sie schüttelte den Kopf und schob mich weg. «Ich   … kann nicht   … Ich kann nicht.»
    «Doch, du kannst», sagte ich, klemmte einen Arm unter ihre Schulter und zerrte sie fast über den Weg.
    Meine Beine fühlten sich wie Gummi an, als wir zum Wagen strauchelten. Monk war höchstens noch dreißig oder vierzig Meter entfernt, etwas unterhalb von uns marschierte er neben dem Weg über das holprige Moor. Doch auch er war langsamer geworden. Der kahle Schädel war uns zugewandt,während wir uns über die letzten Meter schleppten. Er war stehen geblieben, kaum einen Steinwurf entfernt. Ich konnte seine Blicke spüren, als ich nach meinem Schlüssel suchte und dann den Wagen aufschloss. Nachdem Sophie auf den Beifahrersitz gesackt war, lief ich rüber zur Fahrerseite, mir die ganze Zeit bewusst, dass mich die dunkle Gestalt in dem kniehohen Nebel beobachtete.
    Er hat uns eingeholt. Warum hat er aufgegeben?
Ich wusste es nicht, und es war mir egal. Ich knallte die Tür zu, schaltete den Motor an und trat aufs Gaspedal. Als der Wagen losjagte, schaute ich in den Rückspiegel.
    Sowohl die Straße als auch das Moor hinter uns waren

Weitere Kostenlose Bücher