Verwirrend heiße Gefühle
waren sie verloren.
Endlich hörte er Andi nicht mehr im Unterholz. Nach einem letzten Blick auf die Männer zog er sich ebenfalls zurück. In diesem Moment hörte er Paolo schreien. Das Kleine verstummte zwar sofort wieder, doch Chase erstarrte und blickte zu den vier Männern.
Einer von ihnen hatte sich umgedreht und sah zu seinem Versteck herüber. Er hob langsam die Waffe und sagte etwas zu seinen Begleitern.
Chase zog die Waffe aus dem Halfter, blieb ganz still stehen und wartete. Hinter ihm war nichts mehr zu hören. Vielleicht war das vorhin gar nicht Paolo gewesen.
Die Männer dachten offenbar ähnlich wie er, senkten die Waffen und gingen weg. Einer von ihnen warf noch einen Blick zurück, bevor sie im Dorf verschwanden.
Nach einer Weile sah Chase die Männer wieder. Sie durchsuchten die Häuser, aber keiner kümmerte sich um das andere Ufer.
Chase entfernte sich vom Fluss, bis er das Wasser nicht mehr hörte. Am Pfad angelangt, wartete er eine Weile, ehe er ihn überquerte. Auf der anderen Seite arbeitete er sich schneller voran.
Beinahe wäre er an Andi vorbeigegangen. Sie saß zwischen den Wurzeln eines mächtigen Baums und wurde fast vollständig von Zweigen verdeckt. “Chase, hier”, flüsterte sie.
Er schob die Ranken beiseite. Andi lehnte am Baumstamm. Paolo lag in ihrem Schoß. Neben ihr standen zwei leere Fläschchen auf der Erde.
“Tut mir leid, dass er geschrien hat”, sagte sie ängstlich. “Haben sie ihn gehört?”
Chase zögerte. “Ich weiß es nicht. Einer der Männer hat wohl etwas gehört, hielt es aber vermutlich für den Ruf eines Tieres. Sie durchsuchen das Dorf.”
Andi nickte. “Er schrie ohne jede Vorwarnung. Ich gab ihm sofort sein Fläschchen. Er war wohl nur hungrig.” Sie streichelte die Wange des Babys. “Für ihn ist das alles sehr bedrückend. Er ist bei Fremden, und er ist nicht in seiner vertrauten Umgebung.”
“Meinst du, er merkt den Unterschied?”, fragte Chase.
“Selbstverständlich! Er ist schon vier Monate alt und nimmt alles um sich herum wahr. Er weiß auch, dass ich nicht seine Mutter bin.”
“Er sollte sich möglichst schnell an uns gewöhnen. Wärt ihr beide näher am Fluss gewesen, hätten uns diese Kerle entdeckt.”
“Ich passe von jetzt an besser auf”, erwiderte sie.
Seufzend strich er sich durchs Haar. “Verdammt, McGinnis, du kannst nichts dafür. So war das nicht gemeint.”
“Niemand kann etwas dafür, aber ich muss unbedingt vorhersehen, wie Paolo sich verhält, sonst ist das Risiko für uns alle zu groß.”
Beschützend drückte sie das Baby an sich und betrachtete es sanft. Chase sehnte sich nach dieser Zärtlichkeit. Doch er stand gleich wieder auf und wandte sich ab. Es hatte keinen Sinn, sich etwas zu wünschen, was man nicht haben konnte. Das hatte er schon vor langer Zeit herausgefunden.
“Ich habe kein gutes Gefühl”, erklärte er. “Warten wir, bis die Männer aus dem Dorf verschwunden sind, bevor wir weitergehen. Alles klar mit ihm?”, fragte er und zeigte auf Paolo.
“Ich weiß es nicht”, räumte sie ein. “Er hat zwei Fläschchen bekommen, und ich habe nur noch eines. Ich sollte welche vorbereiten für den Fall, dass er hungrig wird und aufwacht.”
“Ich hole Wasser vom Fluss.”
“Das darfst du nicht riskieren”, erwiderte sie. “Bestimmt bewachen sie den Fluss. Du könntest gesehen werden.”
Das klang fast so, als würde sie sich nicht nur um Paolo, sondern auch um ihn sorgen. Doch Chase unterdrückte den Gedanken und griff nach ihrem Rucksack. “Ich fülle alle Wasserflaschen. Keine Angst, niemand wird mich sehen. Es wird allerdings eine Weile dauern, bis das Wasser durch den Filter gelaufen ist.”
“Sei vorsichtig”, bat sie.
Die Stimmung zwischen ihnen hatte sich innerhalb der letzten Stunden völlig verändert. Anfangs hatte er Andi zureden müssen, damit sie auf ihn wartete. Jetzt nahm sie es hin, dass sie zusammen waren. Doch daraus durfte er nichts ableiten. Sie wusste, dass es um das Leben des Kindes und wahrscheinlich auch um ihr eigenes ging. Das hatte nichts mit ihm persönlich zu tun.
So sollte es auch sein. Für ihn war das ein Job, für den er bezahlt wurde, mehr nicht.
Sobald Andi nichts mehr von Chase hörte, lehnte sie den Kopf gegen den Baumstamm und versuchte, wach zu bleiben. Sie durfte nicht einschlafen, sondern musste auf Geräusche achten. Paolo schlief tief und fest. Armer Kleiner. Während des Marsches durch den Dschungel war er nicht zur Ruhe
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