Verwuenscht und zugenaeht
hier zu sein. Ich muss also noch etwa fünfzehn Minuten durchhalten. Das schaffe ich schon irgendwie.
Und ich muss mich unbedingt umziehen. Am besten sofort, damit ich mich wenigstens etwas normal fühlen kann.
»Kommen Sie, wir lassen die Mädchen in Ruhe plaudern und ich führe Sie herum und zeige Ihnen alles«, sagt Mum und wirft mich damit dem Wolf zum Fraà vor.
Die beiden Frauen bahnen sich einen Weg durch die Menge und ich sehe ihnen nach. Jetzt habe ich das letzte Fünkchen Hoffnung verloren, diesem Abend noch irgendetwas Gutes abzugewinnen.
»Schöne Party«, sagt Janae. »Zu schade, dass wir nicht Blindekuh spielen.«
Ich beiÃe die Zähne zusammen. Ich könnte ihr sagen, dass das alles die Idee meiner Mutter war, aber das würde auch nicht viel bringen, denn dann stehe ich da wie eine Zwölfjährige.
Das Komische ist nur, dass ich früher mit Janae befreundet sein wollte . In der Grundschule war sie ein nettes, ganz normales Mädchen. Als ich einmal in der Schule auf den Spielplatz kam, versuchte sie gerade, ein Vogeljunges zurück ins Nest zu befördern, und ich bot ihr meine Hilfe an. Sie lenkte den Hausmeister ab, während ich eine Trittleiter »ausborgte« und damit auf den Spielplatz rannte. Ich hielt die wackelige Leiter fest, Janae kletterte hoch und legte den Vogel zurück ins Nest. Dann klopften wir uns gegenseitig auf die Schultern, denn wir waren stolz auf unseren Einsatz für den Tierschutz.
Danach wurden wir fast so etwas wie Freundinnen. Wir arbeiteten gemeinsam an einer Deutschaufgabe und sie fragte mich sogar, ob ich beim Mittagessen neben ihr sitzen wollte. Doch ein paar Tage später war das Schuljahr zu Ende, ohne dass wir unsere Telefonnummern ausgetauscht hatten. In diesem Sommer bekam sie Brüste und wurde zur Zicke. Ich glaube, sie war mit ihrer Familie in Frankreich, was die Vorliebe ihrer Mutter für Luftküsse erklärt.
Jetzt stehen wir nebeneinander und ich nippe an der Cola light, die mir irgendjemand in die Hand gedrückt hat. SchlieÃlich stemmt Janae eine Hand in die Hüfte und wirft mir einen abschätzigen Blick zu.
Ich kriege kaum noch Luft.
»Und, deine einzige Freundin kommt wohl nicht?«, sagt sie verächtlich. Ihre Mundwinkel zucken leicht, sie verschränkt die Arme und legt den Kopf zur Seite.
Ich bin ausnahmsweise einmal sprachlos. Janae beginnt zu grinsen, als ihr klar wird, dass sie voll ins Schwarze getroffen hat.
»Du bist ein elendes Miststück«, zische ich und spüre, wie ich rot werde, aber das ist mir egal.
Janae lächelt von oben auf mich herab. Trägt sie Zehn-Zentimeter-Absätze oder bin ich geschrumpft? »Ich bin lieber ein Miststück als eine groÃe, fette Null .«
Ich blinzle ein paar Mal und reiÃe mich zusammen.
»Meine Mutter hat mich nur hierhergeschleppt, weil deine Mum in ihrer Studentenverbindung war. Es ist also deine Schuld, dass ich das Trainingsspiel gegen die Victor Fall Highschool verpasse.« Janae macht auf ihren hohen Absätzen kehrt und stakst davon. Sie wirft ihr glänzendes mahagonifarbenes Haar über die Schulter, während sie in der Menge verschwindet.
Wäre ich ein optimistischer Mensch mit einer »Das-Glas-ist-halb-voll-Einstellung«, könnte ich dem heutigen Tag eine gute Seite abgewinnen: Alle folgenden Geburtstage können eigentlich nur besser werden.
Aber im Moment sehe ich nicht mal ein halb leeres Glas vor mir. Am liebsten würde ich einfach nur das verdammte Glas zerschmettern â und zwar direkt auf Janaes Kopf.
W ährend der nächsten zweieinhalb Stunden stehe ich mit finsterer Miene und verschränkten Armen am Rand der Terrasse. Als Mum an mir vorbeigeht, hebt sie den Daumen und lächelt mir mit einem Stapel Visitenkarten in der Hand strahlend zu.
Wie immer wirkt sie absolut selbstsicher und gibt eine tadellose Erscheinung ab. Kein einziges Haar ist verrutscht und auf ihrer maÃgeschneiderten roten Kostümjacke befindet sich nicht das kleinste Staubkörnchen.
Irgendwann zwischen den Songs von Taylor Swift und Miley Cyrus wird mir klar, dass Janae niemals zulassen wird, dass meine Mum ihren sechzehnten Geburtstag ausrichtet. Janae ist viel zu sehr von sich selbst überzeugt, um die Planung aus der Hand zu geben. Mal ganz davon abgesehen, dass die Ideen meiner Mutter ihrem Geschmack nach nicht trendig genug sind.
Offen gesagt, sehe ich das genauso. Und
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