Verwuenscht und zugenaeht
das sollte meine Mutter eigentlich wissen. Sie hat sich so viel Mühe gegeben und wahrscheinlich stundenlang im Internet recherchiert, dabei hätte sie mich einfach nur fragen müssen. Ich hätte ihr sagen können, welche Dekoration passend wäre und welche Songs der DJ spielen soll. Aber das hat sie nicht getan. Denn eigentlich spricht sie nie mit mir, sie spricht nur zu mir.
Ich halte es kaum noch aus. Ich möchte mit keiner einzigen fremden Person mehr reden, die nicht einmal weiÃ, dass ich das Geburtstagskind bin.
Und ich bin sauer auf Nicole. Sie hätte vor mindestens zwei Stunden hier sein sollen und ich habe immer noch kein Lebenszeichen von ihr.
Ich klappe mein Handy auf und sende ihr bestimmt die zwanzigste SMS : Bitte sag mir, dass Timmy in Schwierigkeiten steckt und du für Lassie einspringen musstest.
Fünf Minuten vorher hatte ich getextet: Habt ihr euch im Wald verlaufen, weil die Vögel die Brotkrumen vom Weg aufgepickt haben?
Und zehn Minuten vorher: Falls du zu spät bist, weil Shia LaBeouf sich zum Essen zu euch gesetzt hat, erwarte ich ein Beweisfoto.
Ich hatte mein Handy schon mehr als neunhundert Mal aufgeklappt, aber ich habe weder einen Anruf verpasst noch hat sie mir per SMS auf meine bissigen Nachrichten geantwortet.
Sie lässt mich wegen eines piekfeinen Abendessens im Stich und besitzt nicht mal den Anstand, sich zu entschuldigen. Wenn sie hier wäre, könnten wir uns über alles und jeden lustig machen. Wir hätten uns sogar unter dem Vorwand, sie fühle sich nicht wohl, in mein Zimmer zurückziehen können. Der DJ hätte weiter seine bescheuerte Musik spielen und meine Mum ihre Kunden bespaÃen können.
Was hält sie davon ab, zu meiner Party zu kommen? Soufflé essen? In Bens gefühlvolle blaue Augen blicken? Mit ihren manikürten Fingernägeln durch sein strubbeliges blondes Haar fahren?
Zum Glück habe ich kaum Zeit mit ihnen gemeinsam verbracht. Denn in Wirklichkeit ist es wahrscheinlich noch schlimmer als in meiner Vorstellung.
Sie hat geschworen, dass sie kommen würde.
Aber sie ist nicht da.
Und als wäre das noch nicht genug, geht Mum jetzt an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Sie ist viel zu beschäftigt damit, irgendeinem Kerl zu erklären, wie er seine Mitarbeiter durch teambildende MaÃnahmen an sich bindet. Na klar, genau das richtige Gesprächsthema für meine Party.
Sogar mein Bruder ignoriert mich. Er war kaum eine Minute im Garten, hat sich einen Teller mit Essen vollgeladen und ist wieder verschwunden. Er hätte wenigstens »Herzlichen Glückwunsch« in meine Richtung rufen können.
Ich will nur noch hier weg.
Jedes Mal wenn jemand um die Ecke kommt und den Garten durch das Seitentor betritt, schlägt mein Herz schneller, weil ich hoffe, es sind endlich Nicole und Ben.
Fehlanzeige.
Plötzlich höre ich die Stimme meiner Mutter durch ein Mikrofon.
»Kayla? Tritt das Geburtstagskind bitte mal vor?«
Oh Gott, was soll das denn jetzt? Bitte lass mich im Boden versinken.
Als sich einer nach dem anderen zu mir umdreht, bahne ich mir widerstrebend einen Weg durch die Menge, bis ich unter der Discokugel stehe. Die Anwesenden versammeln sich um die Tanzfläche und der DJ , der eine paillettenbesetzte blaugrüne Weste über einem weiÃen Smokinghemd trägt, enthüllt die gröÃte Torte, die ich jemals gesehen habe.
Sie ist natürlich rosa, besteht aus vier Etagen und ist mit weiÃen Blüten aus Zuckerguss verziert. Auf jeder Etage brennen vier Kerzen. Ich glaube, ich habe exakt dieselbe Torte schon einmal in einer Folge Made auf MTV gesehen.
Mum steht daneben und grinst wie ein Honigkuchenpferd. »Gefällt sie dir? Sie ist genau auf deinen Geschmack abgestimmt«, sagt sie. »Mit Frischkäseglasur.«
Ich schlucke und nicke und starre auf diesen gigantischen Berg vollkommenster Konditoreikunst. Frischkäseglasur mag ich tatsächlich, ansonsten entspricht dieses Monster ganz und gar nicht meinem Geschmack.
Der DJ spielt »Happy Birthday« und die Gäste stimmen ein. Es kommt mir vor, als würden sie immer näher rücken und immer lauter singen. Am liebsten würde ich wegrennen.
Als sie an die Stelle mit dem Namen kommen, geraten sie ins Stocken. Einige nennen mich wenigstens noch Kelly, doch die meisten singen gar nichts. In meinem Hals bildet sich ein KloÃ, an dem ich fast ersticke. Ich fühle mich
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