Verwuenscht und zugenaeht
rumlaufen. Zum Glück ist Samstag. Es wäre ein Albtraum, wenn ich so zur Schule gehen müsste.
N ach geschlagenen zwanzig Minuten habe ich endlich in meinem Schrank etwas Passendes für Ann und etwas halbwegs Vernünftiges für mich gefunden. Es ist wirklich nicht leicht, diese Riesendinger zu verstecken.
Ich mag Klamotten in grellen Farben und abgefahrenem Design, doch die stehen Ann wegen ihrer roten Haare nicht besonders gut. Sie fand es trotzdem toll, alle Sachen anzuprobieren und in meinem Zimmer zu verteilen.
Ich wette, es gibt viele kleine Mädchen, die alles dafür geben würden, eine lebendige Puppe zu besitzen, die auch noch Spaà daran hat, Model zu spielen. Vielleicht sollte ich Ann als Babysitter vermarkten. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Sie entscheidet sich für eine zerrissene Jeans und ein himmelblaues Tanktop, das ich seit der achten Klasse nicht mehr getragen habe. Sie ist etwas schmaler als ich, also suche ich noch einen Gürtel heraus, damit die Hose nicht rutscht. Trotz allem sieht sie ziemlich gut aus. Raggedy Ann hat eine tolle Figur. Wer hätte das gedacht.
Ihr Haar ist vom Duschen immer noch feucht, sodass ihre krausen Locken nicht mehr so abstehen. Es wirkt dadurch länger und dunkler als das leuchtende Orangerot, das sie sonst zur Schau trägt. Sie ist jetzt richtig hübsch.
Doch schon nach zehn Minuten bei offenen Fenstern im Auto sehen ihre Haare wieder genauso wirr aus wie vorher. Ihre Frisur erinnert mich an Tingeltangel-Bob aus der Serie Die Simpsons . Ann giggelt die ganze Fahrt über, weil ihr die Locken ins Gesicht fliegen, während sie immer wieder halbherzig versucht, sie im Nacken festzuhalten.
Ich habe Mums Zwanzigdollarschein in der Tasche meiner karierten, abgeschnittenen Shorts. Die Hose passt trotz der schlichten Strumpfhose darunter nicht wirklich zu meinem Kapuzenpullover, aber den trage ich auch nur, um meinen Busen zu verbergen. Vorhin kam mir das ganz akzeptabel vor, doch mittlerweile hätte ich das Haus lieber nicht in diesem schrägen Aufzug verlassen.
Wir sind auf dem Weg zu einem groÃen Supermarkt, denn ich habe eine Mission zu erfüllen.
Wegen der ganzen Aufregung heute Morgen habe ich ganz vergessen, meine Mum nach der Bäckerei zu fragen. Weil ich aber nicht noch einen Tag warten will, sind wir zu Plan B übergegangen: Ich werde eine eigene Torte backen. Wenn ich es richtig anstelle, wird sie genauso aussehen wie meine Geburtstagstorte, nur kleiner.
Ann kann Happy Birthday singen und ich werde mit geschlossenen Augen die Kerzen auspusten. Wenn ich die Augen wieder öffne, wird Ann verschwunden sein. Meine Brust wird auf NormalgröÃe schrumpfen, ich werde nicht mehr auf Italienisch fluchen, das Pony wird wieder in seiner Plastikscheune stehen und die Kaugummikugeln in Kaugummiautomaten stecken.
Nach diesen ersten fünf Wünschen will ich gar nicht erst wissen, was mich sonst noch erwartet hätte.
Ann folgt mir durch den Supermarkt und beäugt die langen Regalreihen. Immer wieder bleibt sie staunend stehen, nimmt Tüten oder Dosen aus den Regalen und stöÃt ständig etwas um. Der Supermarkt muss ihr wie ein groÃer Vergnügungspark vorkommen.
»Ann! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
Eigentlich haben wir genügend Zeit, aber ich will das Ganze endlich hinter mich bringen. Maulend stampft sie hinter mir her, während ich den Gang mit den Backzutaten ansteuere. Schweigend betrachten wir die Auswahl.
»Der hier sieht lecker aus«, sagt Ann und hält eine Backmischung für Schokoladenkuchen in die Höhe.
»Es muss ein weiÃer Teig sein. Wie der hier.«
Ich nehme eine Packung aus dem Regal, auf der eine weiÃe Torte abgebildet ist.
»Sieh mal, Streuselkuchen!«, ruft Ann und macht einen Luftsprung.
Ich halte das nicht mehr aus. Warum erlöst mich niemand?
Ich werfe zwei Backmischungen in den Einkaufswagen und grüble darüber nach, ob ich mit dem weiÃen Teig wirklich richtigliege. War er nicht doch vielleicht gelb?
Ich hocke mich hin und greife nach einer gelben Backmischung ganz unten. Als ich mich vorbeuge, stoÃe ich mit meinem neuen Busen an das Regal und ein paar Packungen knallen auf den Boden.
Zuerst überlege ich, ob ich sie einfach liegen lassen soll, doch dann hebe ich sie seufzend auf und stelle sie zurück ins Regal. Beim Aufstehen muss ich mich am Einkaufswagen festhalten, um nicht vornüberzufallen.
Als
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