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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Staat schwach war und der Fürst abwesend. Doch nun war eine neue Zeit angebrochen, eine Zeit großer Könige, großer Armeen und großer Staatsapparate, eine Zeit, da Bretonen, Katalanen, Livländer, Transsilvanier, Moldavier und Jämtländer von ihren mächtigen und großmäuligen Nachbarn immer stärker bedrängt wurden.
    Die Menschen in Jämtland und Härjedalen waren über einen langen Zeitraum zwischen der schwedischen und der dänisch-norwegischen Krone hin-und hergezerrt worden. Zeitweilig von den Schweden besteuert, dann wieder von den Norwegern, zuweilen auch von beiden gleichzeitig, waren die Menschen dort aufgrund einer Neigung ihrer lokalen Herren und ihres eigenen Handels zu Norwegen hingezogen worden. Das Leben unter dem dänischen König war in der letzten Zeit immer schwerer geworden, und nun war die Unzufriedenheit mit den Regierenden in Kopenhagen unter der Bevölkerung von Jämtland und Härjedalen groß. (Damit standen sie nicht allein. Auch die Bevölkerung von Bohuslän klagte in dieser Zeit viel über Christians hartes Regiment.) Während des Kriegs 1611 bis 1613 , als sie von schwedischen Truppen besetzt waren, waren viele Bauern gezwungen worden, der schwedischen Krone Treue zu schwören, und als die Dänen das Land zurückeroberten, rechneten sie in ihrem Hochmut mit harter Hand ab. Es endete damit, dass viele Jämtländer und Härjedalinger sich aus selbstbesitzenden Freibauern zu Pächtern der dänischen Krone gemacht sahen, vor brutalen und selbstherrlichen Vögten aus Kopenhagen auf den Knien liegend – Leuten, deren Einstellung zu Recht und Gesetz überwiegend als dehnbar bezeichnet werden muss. Christian, auch sonst nicht zimperlich, wenn es darum ging, das Landvolk kurzzuhalten, hatte den Bewohnern von Jämtland und Härjedalen auch viele ihrer alten Sonderrechte genommen, die lokale Selbstverwaltungsorganisation abgeschafft und das Ganze damit abgerundet, dass er den Jämtländern das Recht entzog, ein eigenes Siegel zu führen. (Die dänischen Behörden versuchten auch von Zeit zu Zeit, die Grenze zu sperren und Handel und andere Kontakte mit Schweden zu verhindern.) Der dänische Steuerdruck nahm zu, und die Unzufriedenheit breitete sich unter Härjedalingern und Jämtländern aus, eine Unzufriedenheit, die nicht gerade gedämpft wurde, als die beiden Länder von wiederholten Notjahren heimgesucht wurden.
    Es waren also keine besonders königstreuen dänischen Untertanen, die sich hier im Frühjahr 1644 der Drohung eines schwedischen Angriffs ausgesetzt sahen. Eine regelrechte Invasion Norwegens hatten die Regierenden in Stockholm nicht im Sinn, doch sie wollten mit einem kleineren Einfall in Jämtland die Norweger daran hindern, im schwedischen Teil von Norrland irgendwelchen Unfug zu treiben.
    Wieder einmal gab es auf der schwedischen Seite Leute, die mehr als geneigt waren, selbst die Initiative zu ergreifen und die Entwicklung auf die Spitze zu treiben. Der Landeshauptmann in Gävle, Ivar Nilsson, und der Oberst Johan Oxenstierna, einer von Reichskanzler Axel Oxenstiernas Neffen, der zu diesem Zeitpunkt damit beauftragt war, in der Region Soldaten auszuheben, sandten Anfang des Jahres einen erregten Bericht an den Rat in Stockholm, worin sie behaupteten, dass 6000 norwegische Soldaten bereitständen, von Jämtland aus anzugreifen, weshalb sie darum ersuchten, unverzüglich Waffen und Munition sowie die Erlaubnis zu bekommen, mit den verfügbaren Truppen zur Grenze zu gehen. Die Männer im Rat nahmen den Bericht mit großer Skepsis auf – die Informationen waren ganz offensichtlich unzutreffend; unter anderem war es undenkbar, dass es den Norwegern gelungen sein sollte, in dem dünn besiedelten Jämtland so viele Männer aufzubieten – und antworteten dem Landeshauptmann kurz, er solle sich von «solchen Märchen» nicht beeinflussen lassen. Die zwei schickten indessen weiter alarmierende Briefe, wenngleich das Drohbild nach dem Rüffel aus Stockholm ein wenig abgemildert wurde (unter anderem strichen sie eine Null in ihrer Berechnung der feindlichen Truppenstärke). Welche Auswirkung diese Berichte auf das Geschehen hatten, ist unklar, doch gegen Ende Februar wurden bei Borgsjön in Medelpad rund 2500 Mann des Hälsinge-und Västerbotten-Regiments zusammengezogen, und am Abend des 7 . März überschritt der Verband die jämtländische Grenze.
    Die schwedischen Soldaten arbeiteten sich durch die dichten, schneebedeckten Wälder und über die gefrorenen Gewässer vor. Erst

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