Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
beiden Seiten sicher mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen wurde; denn diese bewegte sich seit alters her frei zwischen den Reichen und kümmerte sich wenig um die Striche auf der Karte, die für die Machthaber in Stockholm und Kopenhagen so viel bedeuteten, für sie aber überflüssige staatsrechtliche Fiktionen waren. (In diesen Gegenden gab es im Allgemeinen keine richtigen Grenzlinien. Das eine Reich ging vage und unmerklich in das andere über, und die Grenze wurde möglicherweise durch einen gründlich überwachsenen Steinhaufen hier und einen großen Stein dort markiert.)
Es waren gute Zeiten für Freibeuter und andere findige Leute. Der Landeshauptmann in Falun, Peter Kruse, begann, auf eigene Faust eine Eroberung der beiden norwegischen Kirchspiele Särna und Idre vorzubereiten, die diesseits des Grenzgebirges lagen. In Älvdalen sammelte er den waffenfähigen Teil der Bevölkerung – 112 Mann, die gegen volle Befreiung vom Mühlenzoll für dieses Jahr in den Dienst der Krone traten –, die er dem Befehl des Kapellans der Gegend mit Namen Daniel Buschovius unterstellte, den der Landeshauptmann selbstherrlich zum «Major» ernannte. Am 18 . März 1644 wurde die Streitkraft nach Norden in Bewegung gesetzt, mit Pfeil und Bogen, Spießen, Jagdbüchsen und anderen einfacheren Waffen auf dem Rücken und einer selbstgenähten Fahne an der Spitze. Kruse ging davon aus, dass sie auf keinen größeren Widerstand stoßen würden. Er hatte zwei Spione, die mehrmals die norwegischen Kirchspiele besucht hatten, und außerdem waren zwei Männer von jenseits der Grenze aufgetaucht, die ausgesandt worden waren, um «mit dem Kirchspiel Orsa über Einigkeit und nachbarlichen Frieden zu verhandeln» – Kruse hatte den einen arrestieren lassen und den anderen zurückgeschickt, um «Brief und Siegel» zu holen, die bewiesen, dass sie zu Verhandlungen ermächtigt seien. Den traditionellen hölzernen Stab voller eingekerbter Namenszeichen, den sie bei sich hatten, erachtete er als nichtig.
Nach vier Tagen auf Skiern kam die Truppe eines frühen Morgens ins Kirchdorf Särna. Die überraschten Leute in den beiden norwegischen Kirchspielen wurden dorthin zusammengerufen. Dort trafen sie die 112 Männer aus Älvdalen, an der Spitze Buschovius, flankiert von einem alten Soldaten mit einer Muskete und einem Glöckner, der ein Gebetbuch trug. Buschovius verlas seine Vollmacht, in welcher den Bewohnern von Särna und Idre gleicher «Gottesdienst, Gesetz und Recht», wie sie in Schweden galten, angeboten wurden, während er ihnen gleichzeitig kundtat, dass er sie, falls sie den Vorschlag nicht annähmen, «mit Feuer und Schwert heimsuchen» werde. Die Bewohner von Särna und Idre entschieden sich, was kaum verwunderlich ist, für die erste Alternative. Die Anziehungskraft, die das Versprechen des Gottesdienstes ausübte, sollte allerdings nicht unterschätzt werden. Die dänische Krone hatte seit eh und je wenig Interesse für diese entlegene und unzugängliche Gegend an den Tag gelegt. Das war kaum etwas, worüber die Bewohner traurig zu sein brauchten, wenn es nicht auch bedeutet hätte, dass sie keinen eigenen Pastor bekamen. Es war wie schon gesagt ein gläubiges Zeitalter, in dem das eigene Seelenheil den Menschen häufig mehr bedeutete als viele große, aber ach so ferne politische Verwicklungen. Am folgenden Tag hielt Buschovius die Predigt, taufte, traute und teilte das Abendmahl aus. Danach fuhren er und seine mit Bogen bewaffneten Älvdalinger zufrieden auf Skiern wieder nach Hause. Mit ihnen fuhren Vertreter jeder Dorfgemeinschaft in den beiden Kirchspielen, die später vor Kruse den Treueid auf die schwedische Krone ablegten. Im Jahr darauf ging er die Abrechnungen durch und kam zu dem Ergebnis, dass die unblutige Eroberung die schwedische Krone alles in allem 94 Taler in Silbermünze gekostet hatte. Es war ein
low budget
-Krieg, der einen hohen Gewinn eingebracht hatte. Doch im gleichen Monat wurde eine andere schwedische Eroberungsunternehmung nördlich von Dalarna eingeleitet, die sowohl blutiger als auch kostspieliger wurde.
Jämtland und das nahegelegene Härjedalen waren zwei dieser vielen kleinen Länder, wie man sie zu dieser Zeit in ganz Europa sehen konnte: halb selbständige Völker mit eigenen Traditionen, eigener Kultur, eigenen Gesetzen, eigener Sprache oder jedenfalls eigenem Dialekt, die ihr eigenes Leben führen wollten. Dies war während des Mittelalters auch fast überall gutgegangen, als der
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