Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
Dänemark, Hafer, Erbsen und Schweinefleisch in Nowgorod. In den Häfen sammelten sich auch die Schiffe, manche für diesen Anlass neu gebaut, andere wie die Pferde gekauft, gemietet oder requiriert. Es war eine bunte Mischung von großen Kriegsschiffen, schweren Transportschuten sowie einer Vielzahl kleiner Boote, die den Proviant und den Tross hinüberschaffen und bei der Landung helfen sollten: Galeeren, Bojerte, Jachten.
Es wäre jedoch eine große Übertreibung zu behaupten, dass die Stimmung im Land angesichts des Bevorstehenden von größerer Heiterkeit geprägt gewesen sei. Die neu ausgehobenen Soldaten waren natürlich diejenigen, denen es am leichtesten fiel, ihren Enthusiasmus zu zügeln, sie machten sich «nach ihrer alten Gewohnheit und Unsitte», wie eins der Kriegsgerichte resigniert seufzte, aus dem Staub; in Schweden verschwand auf diese Weise fast jeder zehnte Soldat, in Finnland jeder fünfte. Und überall, auch unter Leuten, auf die sich die Krone in der Regel verlassen konnte, wie Geistliche und Adlige, stießen die Bevollmächtigten des Königs auf saure Mienen und Widerspenstigkeit. Noch bevor es auch nur begonnen hatte, hatte das Unternehmen Unruhe und Plagen ins Land gezogen. Die Soldaten hatten wie üblich alle Krankheiten des Kriegs mitgeschleppt; Pest und Ruhr wüteten auf dem Lande. In den Städten rangen die empörten Bürger die Hände über all den Lärm, die Schlägereien und Diebstähle, die eine undisziplinierte Soldateska und ihr Rattenschwanz von Gesindel und Huren mit sich brachten.
Es war alles in allem eine gewaltige Anstrengung für ein schon vorher schwer gebeuteltes Volk. Ein Adliger berichtete seinem Bruder, der in Stockholm ein hohes Amt innehatte, dass die Landbevölkerung in «Östergötland, Västergötland und Småland hauptsächlich von Rinde und Eicheln lebt». «Das Land ist völlig verarmt und ziemlich desperat», schrieb ein dänischer Gesandter nach Hause.
Die Truppen gingen in den letzten Maitagen an Bord der wartenden Schiffe. Der König war selbst dabei, gefolgt von Kanzlei, Rechnungskammer und Hofstaat, welcher unter anderem einen Bettenmeister, einen Bäcker, zehn Stallknechte und eine Wäscherin umfasste. Nachdem sie einige Tage auf günstiges Wetter gewartet hatten, lichteten sie am 11 . Juni die Anker: 120 Kriegs-und Transportschiffe sowie eine große Anzahl kleinerer Boote und Fahrzeuge, ein unüberschaubares Gewimmel von flatternden Wimpeln und bauchigen, schwellenden Segeln, die sich still und langsam auf den schmalen Rand hinbewegten, wo Luft und Wasser zusammenstoßen. Nachdem sie gegen einen schwierigen Wind nach Süden gekreuzt waren, erreichte die Spitze der Flotte dreizehn Tage später die deutsche Küste bei der Insel Usedom vor Pommern. Gegen vier Uhr am Nachmittag des 26 . Juni 1630 begannen die Truppen, in der schwülen Sommerhitze an Land zu gehen. Dunkle Wolken wölbten sich am Himmel. Als die schwedischen Soldaten an den seichten Strand wateten, hörte man Donnergrollen in der Ferne.
3 . Belehrung und Züchtigung
Erik wird aus dem Haus geschickt – Die Einstellung zur Familie – Die Einstellung zur Kindheit – Nach Västerås – Über den neuen Staat – Die Schulen von Västerås – Johannes Rudbeckius – Kirchliche Streitigkeiten – Nach Uppsala – Über die Universität Uppsala – ‹Lob von allen› – Eriks Mutter heiratet wieder – Nach Norrköping – Eriks Mutter stirbt – Über Geburtshilfe – Nach Deutschland
Dieser Krieg sollte auch ein Teil von Erik Jönssons Schicksal werden. Noch war dies alles indessen etwas Unwirkliches und Entferntes für ihn, das man nur ahnen, aber nicht sehen konnte, wie der Brandgeruch von einer entfernten Feuersbrunst. Es gab näherliegende Sorgen.
Im gleichen Jahr, als die schwedische Armee deutschen Boden betrat, beschloss Dorotea nämlich, ihn aus dem Haus zu schicken, um ihn vom Pastor des Kirchspiels aufziehen zu lassen. Erik schrieb später, der Entschluss der Mutter sei ihrem Wunsch entsprungen, er möge «in allen christlichen Tugenden und in den Buchkünsten erzogen werden», doch dies war sicher nur die halbe Wahrheit. Die Armut der Familie trug sicher zum Entschluss der Mutter bei. So kam es, dass Erik sich noch vor seinem fünften Geburtstag von der Mutter und seinen Geschwistern trennen musste – später sollte er sich nur für kürzere Perioden bei ihnen aufhalten.
Dies war nichts Außergewöhnliches. Im 17 . Jahrhundert war es in allen Gesellschaftsgruppen üblich,
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