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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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mutige Individualisten waren, die sich in Scharen bewegten, doch am liebsten einzeln kämpften, glichen die disziplinierten, exakt gedrillten und straff geführten Schweden in ihren dicht geschlossenen und geometrisch vollendeten Formationen am ehesten einem Apparat, der mit nahezu maschinenmäßiger Präzision sowohl bewegt wurde als auch kämpfte.
    80 Meter. So lang war die Strecke, als die polnischen Husaren aus dem Mittelalter in eine neue Epoche hineinritten.
    Zunächst ging es genau wie erwartet. Sie stürmten heran, mit lauten Schreien, gesenkten, wimpelgeschmückten Lanzen und Pferden, die Schaum und Geifer schnaubten, und brachen wie ein wahrer Erdrutsch über den äußeren Teil des linken Flügels der Alliierten herein. Das Donnern der Pferdehufe, das Klappern der Ausrüstung und die Schlachtrufe der Husaren verschmolzen nun mit dem Krachen und Knattern des Gewehrfeuers der Schweden und Brandenburger zu einem undurchdringlichen, kompakten Dröhnen, als die zerrissene und wirre Masse von Pferden und Männern mit ihren dicht geschlossenen Widersachern zusammenprallte.
    Auf kurze Distanz feuerte die brandenburgische Fußgarde eine mächtige Salve ab, die zwischen die Reiter prasselte; die Feuersalve war eine jener Erfindungen, die den Kampfstil der westeuropäischen Armeen revolutioniert hatten. Vier leichte Geschütze waren mit Kartätschen geladen, und sie wurden auch alle im selben Moment abgefeuert. (Jede Kartätsche enthielt rund 36 gewöhnliche Musketenkugeln; die vier Geschütze dürften also auf einen Schlag 140 Kugeln ausgespuckt haben.) Offenbar genügte es hier, zu diesem genau abgepassten Zeitpunkt zu schießen – die altertümliche polnische Reiterei hatte eine panische Angst vor diesen maschinenmäßigen Feuersalven. Die Husaren prallten in diesem Augenblick zurück. Aber einigen uppländischen und småländischen Schwadronen erging es weniger gut.
    Die småländische Reiterei war nahezu halbiert worden, seit sie Anfang Juni 1655 auf dem Seeweg von Kalmar nach Polen gekommen war. Kämpfe und Entbehrungen hatten das Regiment auf eine Stärke von 473 Mann reduziert. Neben ihnen stand das uppländische Reiterregiment. Trotz seines Namens war es eine bunte Mischung, die außer aus Uppländern auch aus Sörmländern, Närkingern, aus Värmländern und Västmanländern und in Pommern angeworbenen Männern bestand. Der Verband war seit dem Beginn des Krieges in mehrere Kämpfe verwickelt gewesen, unter anderem bei Opoczno, Warka, Gnesen und Thorn. Ein Teil des Regiments war außerdem in polnischer Gefangenschaft verschwunden, als das schwedisch besetzte Warschau gut einen Monat zuvor kapituliert hatte.
    War man einem schweren Kavallerieschock ausgesetzt, galt es, bis zum letzten Augenblick sein Feuer zurückzuhalten, damit die Salve den größtmöglichen Effekt erzielen konnte. Das hatten die brandenburgischen Fußgardisten gerade getan. Doch da die wichtigste Waffe der Reiter die Pistole war und diese Waffe eine so kurze effektive Reichweite hatte, mussten sie wirklich bis zum letzten Augenblick warten. Der heulende Ansturm der Husaren versetzte die Nerven in diesen zwei Verbänden in Schwingung. Sie feuerten eine knatternde Salve ab. Der Abstand war zu groß. Danach, statt wie gewöhnlich sofort mit dem gezogenen Degen den Polen entgegenzureiten, kam es offenbar zu einem kurzen Augenblick des Zögerns unter den Reitern. Das reichte. Die funkelnde Lanzenwand der polnischen Husaren war über den schwedischen Reitern, brach in sie ein. Menschen fielen im Rauch. Die Schwadronen gerieten in Unordnung, wichen zurück. Ihre Fahnen schwankten, wackelten, fielen. Eine Schwadron der Östgöta-Reiterei wurde mit in das Wirrwarr gezogen. Ungefähr die Hälfte der angreifenden Husaren sprengte sich wie ein riesiges Projektil durch die erste Linie der Gegner hindurch.
    Die schwedischen und brandenburgischen Verbände waren wie üblich in mehreren Linien hintereinander aufgestellt: erstes, zweites und drittes Glied. Die schwedischen Verbände, die von dem Angriff überrannt worden waren, flohen nun durch die Lücken zwischen den Schwadronen des zweiten Glieds nach hinten. Die Husaren drängten weiter. Die Unordnung pflanzte sich in das zweite Glied fort. Die Regimenter aus deutschen Söldnern, die hier standen, setzten sich jedoch mit Pistolen und Degen zur Wehr. Die Husaren brandeten wie das Meer gegen den Felsen und kamen zum Stillstand. Die Wucht des Schocks ließ wie gewöhnlich nach dem ersten gewaltigen Stoß

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