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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Hand, würden die Alliierten direkten Einblick in das polnische Lager haben und die Truppen auf den Sandhügeln umgehen und ihnen in den Rücken fallen können. Eine größere Abteilung mit Musketieren, Reitern und Kanonen wurde mit Richtung auf den Pragawald in Marsch gesetzt. Das Kommando über diese Truppen hatte Otto Christoph von Sparr – ein 50 -jähriger Deutscher mit Hakennase und zusammengekniffenem Mund, der im Dreißigjährigen Krieg gegen die Schweden gekämpft hatte, aber nun als brandenburgischer General in ihrem Dienst stand. Es eilte, denn die Polen setzten ihre Arbeit dort fort, und es war wichtig, sie aus dem Gehölz hinauszuwerfen, bevor ihre Befestigungen und Sperren in Form gefällter Bäume allzu massiv wurden. Um Sparrs Flanke zu schützen, setzte sich der Rest der alliierten Linie in gemächlichem Tempo auf die Hügel zu in Bewegung.
    Sparrs Abteilung hatte das Feld etwa zur Hälfte überquert, als am Waldrand eingegrabene polnische Kanonen zu feuern begannen; die Bahnen der Kugeln zogen ein paar scharfe Schnitte durch den warmen Sonnenschein, und die Projektile sprengten sich durch die dicht geschlossenen schwedischen und brandenburgischen Verbände hindurch. Sparr war einer von Deutschlands beschlagensten Artilleristen, und so war er um eine Gegenmaßnahme angesichts der polnischen Geschosse nicht verlegen. Er ließ rasch eigene Kanonen in Stellung bringen. (Wahrscheinlich waren es langhalsige 12 -Pfünder: etwa drei Meter lange Monstren, die von acht Pferden gezogen wurden und rund zwei Tonnen wogen und eine sechs Kilo schwere Kugel über 2000 Meter weit schleudern konnten.) Dann machten sich die grau gekleideten Artilleristen an ihr gut eingedrilltes Handwerk. Die Kanone wurde geladen: Mit einer mit Messstrichen versehenen Schaufel wurde Pulver in den Lauf eingeführt, gefolgt von einem sogenannten Vorschlag aus Stroh oder Moos, und zuletzt die Kugel. Die Kanone wurde ausgerichtet: Die Schützen konnten dabei verschiedene Richtinstrumente, zum Beispiel Quadranten, benutzen, doch einem erfahrenen Artilleristen genügte oft sein eigenes, geübtes Augenmaß. Die Kanone wurde abgefeuert: Eine um einen Luntenstock gewickelte glühende Lunte wurde an das pulvergefüllte Zündloch gehalten. Ein schwacher Knall, Rückschlag, Blitz, weißer Rauch, ein scharfer Knall, und die Kugel verschwindet als ein schnell kleiner werdender Punkt auf das Ziel zu.
    Die alliierten Kanonen waren überlegen und hämmerten hart auf die polnischen Schanzwerke ein, die von aufprallenden und querschlagenden Kugeln überschüttet wurden. Bald verschwanden die Befestigungen in Staubwolken und Fontänen von Erde, Sand und Holzsplittern. Nach neun Uhr stürmten Sparrs Männer auf den Pragawald zu. Sie wurden vom Geknatter vereinzelter Salven empfangen, stürmten aber weiter, an schütterem Buschwerk vorüber und über die halbfertigen Schützengräben. Das polnische Fußvolk schmolz vor ihnen dahin; sie ließen die Kanonen und die verstümmelten und staubbedeckten Leichen ihrer gefallenen Kameraden zurück und verschwanden zwischen den Baumstämmen, verfolgt von schwedischen Reitern.
    Als feststand, dass der Wald eingenommen war, folgte gleich der nächste Schritt, der Angriff auf die Sandhügel. Die Spitze sollte Oberst Jakob Johan Taube mit seinem Regiment bilden. Seine 200 Männer waren eine bunte Mischung von finnischen Reitern aus der Region um Viborg und Deutschen, die in Bremen angeworben worden waren. Sie hatten während des voraufgegangenen Feldzugs hohe Verluste erlitten – unter anderem waren im Verlauf des großen Volksaufstands im Frühjahr ein paar Kompanien nahezu ausgelöscht worden –, und sie waren nun zu einer einzigen Schwadron zusammengeschmolzen. Sie ritten zum Angriff. Links von ihnen rückten einige pikengespickte Rechtecke mit Fußvolk vor. Auf den staubigen und chaotischen Schlachtfeldern jener Zeit bereitete die Verständigung stets Schwierigkeiten, was es beinah unmöglich machte, die Kontrolle über die Kämpfe zu behalten. Irrtümer und Fehlgriffe waren daher eher die Regel als die Ausnahme. So auch hier.
    Andere Befehlshaber der Verbündeten, die Taubes Männer vorwärtsreiten sahen, glaubten, dass dies das Zeichen zum allgemeinen Angriff sei, und deshalb setzte sich auch der größere Teil des rechten Flügels der Reiterei in Bewegung, in Richtung der polnischen Einheiten auf den Sandhügeln. In einer anderen Situation hätte ein solches Missverständnis fatale Folgen haben können, aber

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