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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Der Bürger durfte sich zu seiner großen Freude aus einem allgemein verachteten Krämer in einen hochrespektierten Edelmann oder zumindest in das zurechtgestutzte Faksimile eines solchen verwandelt sehen. Der Unfriede begünstigte also die Großbürger auf mehrere unterschiedliche Arten. Während der außer Kontrolle geratene Großkrieg das Prestige des traditionellen Kriegers zu untergraben drohte und ihr eigenes erhöhte, wurden gleichzeitig Staat und Aristokratie ökonomisch immer abhängiger von ihnen; und in den adligen Purpur gehüllt, konnten sie beginnen, sich in die höheren Sphären der Macht hinaufzuwinden. Das Problem war lediglich, dass diese neu geadelten Großbürger gern ihre frühere Tätigkeit aufgaben und stattdessen ihr Geld dazu verwendeten, sich große Güter und Landbesitz zu verschaffen, um in jeder Hinsicht dem alten Adel gleichen zu können. Dies bedeutete, dass manche kleine, tickende Geldmaschine einfach verstummte und in einen Zustand schläfriger feudaler Dekadenz versank.
    Zu diesen Bürgern, die im Begriff standen, in einen Edelmann verwandelt zu werden, gehörte Eriks wohlhabender Onkel. Das Mittel war das übliche: Geldbeschaffung für die Krone.
    Nachdem die Windstille endlich vorüber war und sie zusammen in Schweden angekommen waren, verbrachten Erik und sein Onkel den Rest des Sommers 1640 in Stockholm. Den größten Teil der Zeit wohnten sie in Gamla Stan, in Böckmans Gasthaus an der nordöstlichen Ecke von Järntorget. Der Onkel verwandte einen Teil der warmen Sommertage darauf, einen größeren Kredit für den Staat lockerzumachen. Die Krone war wie immer in Geldnöten. Gerade jetzt brauchte man Mittel zur Finanzierung der schwedischen Delegation, die an den neuen Friedensverhandlungen in Deutschland teilnehmen sollte. Diese Unterhandlungen, begonnen im gleichen Jahr, als Erik nach Hamburg gekommen war, hatten sich zu guter Letzt, nach vielen Unterbrechungen, Hin und Her und fragwürdigen Debatten ums Zeremoniell, einer Art Ergebnis genähert. Ein Beschluss, den Krieg abzubrechen, war nicht erreicht worden, doch hatte man sich geeinigt, Friedensverhandlungen einzuleiten, und das war besser als nichts.
    Die Frage,
wo
die Verhandlungen geführt werden sollten, hatte ja, wie bereits erwähnt, die hohen Diplomaten in Hamburg ausgiebig beschäftigt. Am besten sollten sie auf neutralem Boden stattfinden. Vorschläge und Gegenvorschläge hatten einander abgewechselt. Der Kaiser und der Papst, der seine Partei einnahm, hatten zuerst auf Rom bestanden. Dies konnten die Gegner nicht akzeptieren, wie man überhaupt meinte, nicht einen, sondern
zwei
Verhandlungsorte zu benötigen, um Rivalitäten und Rangstreitigkeiten zwischen den beiden Bundesgenossen Frankreich und Schweden zu vermeiden. Der neue Vorschlag des Kaisers lautete daraufhin Konstanz und Trier. Frankreich wollte dies nicht schlucken, sondern nannte seinerseits Hamburg und Köln als geeignete Orte. Der praktisch veranlagte Axel Oxenstierna machte nun darauf aufmerksam, dass es vielleicht nicht so günstig sei, zwei parallel laufende Verhandlungen an zwei so weit voneinander entfernten Orten zu führen. Und so weiter. Der schwedische Vorschlag lautete stattdessen, sich in Münster und Osnabrück an der Grenze zu den niederländischen Provinzen zu treffen. Schließlich einigte man sich darauf.
    Obwohl genügend Zeit war, die Teilnahme vorzubereiten, bewirkte der Bescheid, dass wahrscheinlich eine große Friedenskonferenz bevorstand, in Schweden eine mittlere staatliche Finanzkrise. Es war von äußerster Wichtigkeit, die schwedischen Diplomaten mit großem Pomp auszustatten. Nur wer mit großen Gesten auftrat, konnte sich in den Verhandlungen große Gesten erlauben. Schweden war eine Macht geworden, auf die in Europa Rücksicht zu nehmen war, und stand nun wie ein gepanzerter Riese mit gespreizten Beinen über der Ostsee, zum Schrecken von Nachbarn und Feinden. Aber es war in vielfacher Hinsicht eine hohle und eine leere Rüstung. Schwedens Stellung beruhte auf seiner wirklichen oder eingebildeten militärischen Macht, doch die Männer des Rats waren sich nur allzu sehr der Brüchigkeit des Ganzen bewusst. Die Großmacht in Nordeuropa hieß Dänemark, nicht Schweden, das trotz seines Kupfers, seines Teers und des Getreides von den baltischen Feldern nicht über die wirtschaftliche Stärke verfügte, deren es für die Führung eines Großkriegs im Herzen Europas bedurfte. Vom ersten Augenblick des deutschen Abenteuers an war

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