Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
man auf das Geld anderer angewiesen gewesen, entweder geliehenes, geraubtes –
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– oder von großzügigen Bundesgenossen geschenktes Geld. Es galt jedoch, die schwedische Armut und allgemeine Mittellosigkeit zu verbergen, und die Regierenden waren nun vollauf damit beschäftigt, eine großartige, ornamentierte Fassade mit Marmor, Pilastern und Gipsengeln um das schiefe kleine Haus aus grauem Holz herum zu errichten. Irgendjemanden würde es immer täuschen. In einer Zeit, in der es keine Statistik über Handel und Landwirtschaft gab, in der die Bevölkerungszahl, wie schon erwähnt, streng geheim war und sogar wirklich zuverlässige Karten über verschiedene Länder fehlten, war es natürlich schwer, die tatsächliche Stärke eines Reichs zu beurteilen. Da war es umso wichtiger, stark zu
erscheinen.
Hier kamen der Luxus und die Protzerei ins Spiel. Die Delegation, die zu den bevorstehenden Verhandlungen geschickt werden sollte, sollte Freund und Feind durch ihre Großartigkeit imponieren, so war es gedacht. Eine Art Luxusspione wurden deshalb nach Frankreich entsandt, um dort die neueste Mode, was das Servieren bei Tisch, Kutschen, Pagen und weiteres mehr betraf, in Erfahrung zu bringen. Nun stand nur noch ein kleines Detail aus: die Finanzierung.
Hier betrat Eriks Onkel die Szene. Er übernahm es damals, der Krone 30 000 Reichstaler zu leihen. Mit diesem Geld sollten Kleider und Ausrüstung für Johan Oxenstierna, den ältesten Sohn des Reichskanzlers Axel Oxenstierna, beschafft werden. Er sollte der schwedische Gesandte bei den kommenden Friedensverhandlungen sein. Und als Dank versprachen die Regierenden Eriks Onkel einen Adelstitel. (Die formelle Adelung erfolgte im Jahr darauf. Erik Eriksson fand sich da in Erik Svanfelt verwandelt. Er wählte ein Wappen mit einem Schwan – dieser galt als besonders edler und vornehmer Vogel –, der mit ausgebreiteten Flügeln und dramatisch gebogenem Hals dastand.)
Als der Sommer zu Ende war, reiste der Onkel zurück nach Deutschland, und Erik begleitete ihn. Den Winter verbrachte Erik in Lübeck bei der Familie und den Schwiegereltern des Onkels. Dort wurde der Junge auch mit seinen leiblichen Geschwistern Sara und Aron wiedervereint. Die Kinder waren keineswegs nur Gäste im Haushalt, sondern sie mussten für ihren Unterhalt arbeiten; die dreizehnjährige Sara arbeitete als Dienstmädchen in der Familie. Erik musste den Onkel als Gehilfe auf einigen kürzeren Reisen begleiten. Offenbar hatte er jedoch nach Ansicht des Onkels bald seine Schuldigkeit getan. Dieser begann davon zu sprechen, es sei besser, Erik «wäre bei einem Herrn, der in Angelegenheiten der Krone tätig ist», sodass er «darin einigermaßen gewohnt und erfahren werden könne». Der Gedanke war wohl nicht so abwegig in einer Zeit, als der Weg nach oben meist über den aufgrund des Krieges rasch wachsenden Staatsapparat führte. Erik Eriksson würde außerdem auf diese Weise die Verantwortung für seinen Neffen loswerden.
Gesagt, getan. Der Onkel schrieb einen Brief an den Oberkämmerer in Pommern und Mecklenburg, der in Stettin wohnte – 250 Kilometer östlich –, und fragte an, ob es bei ihm eine Stelle für einen jungen Mann gebe. Die Antwort war positiv. Als dies klar war, führte der Onkel eine sonderbare Transaktion durch. Als Vormund hatte Erik Eriksson das Erbe nach dem Tod der Eltern des Jungen verwaltet, aber er hatte offenbar auch einen gehörigen Teil dieses Erbes selbst behalten, unter anderem das Geld aus dem Verkauf des väterlichen Hofes sowie einige Silbergegenstände. Um sich gegen spätere Forderungen Eriks abzusichern, präsentierte er dem Jungen nun eine Rechnung über die Auslagen, die er für dessen Schulbesuch in Hamburg gehabt hatte; die Endsumme belief sich auf etwa 400 Reichstaler. Dies war ein klares Signal seitens des Onkels. Ihre finanziellen Angelegenheiten waren damit geregelt, und von nun an musste Erik für sich selbst sorgen.
Am 10 . Mai 1641 wurde Erik auf einen Wagen nach Stettin gesetzt. Der Onkel bezahlte den Fuhrmann, und dann begann die Reise.
Es war ein bitterer Abschied für den fünfzehnjährigen Jungen. Offenbar entsprach dies nicht seinen eigenen Wünschen. Das Wiedersehen mit den Geschwistern war wiederum nur ein schmerzlich kurzes Intermezzo gewesen. Vielleicht hatte er weiterhin auf die Hilfe und die Fürsorge durch den Onkel gehofft. Aber nein. Noch viel später, wenn er an diesen Tag der Abreise aus Lübeck zurückdachte,
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