Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
große Besitztümer gewonnen.» – «Was ist denn geschehen?» fragte der König. «Sire, der Herzog von Braganza ist wahnsinnig geworden und hat sich zum König von Portugal erklärt, nun können Eure Majestät seine Besitzungen konfiszieren, die zwölf Millionen Dukaten wert sind.» Es war eine Episode, die einen kleinen Fingerzeig darauf gab, warum das mächtige Spanien allmählich im Begriff war, seine Stellung als Europas führendes Imperium zu verlieren. Mit einer ungebildeten, hochmütigen und parasitären Oberschicht, einem hoch verschuldeten Staat, einem Gewerbe, das aufgrund mangelnder Investitionen und eines Übermaßes an Steuern dahinsiechte, einem rückläufigen Handel – nicht zuletzt deshalb, weil man am Anfang des Jahrhunderts die wirtschaftlich bedeutenden Mauren aus dem Land gejagt hatte – und einer unproduktiven Landwirtschaft konnte es nicht anders gehen. Es gab zwar durchaus Möglichkeiten, den Verfall aufzuhalten, doch die Herrschenden verschlossen nur die Augen vor der Realität und passten deren Bild ihren Vorurteilen an, worauf sie sich stolz in üppigen Luxus und pathetischen Erinnerungen an die herrlichen Heldentaten ihrer Vorväter verloren.
Nein, auf irgendeine Hilfe von dort konnten die Habsburger in Wien nicht länger zählen.
Kaiser Ferdinand war angeschlagen. Seine eigene Position im deutschen Reich wurde auch immer fragwürdiger. Dies war nur teilweise das Verdienst der Franzosen und Schweden, denn die gefährlichste Attacke gegen seine Autorität wurde in diesem Jahr nicht mit Waffen ausgeführt, sondern mit Worten, in Form einer anonymen Schrift mit dem Titel
Dissertatio de Ratione Status in Imperio Romano-Germanico
. Sie zeigte mit peinlicher Deutlichkeit die Schwäche in den aufgeblähten konstitutionellen Ansprüchen des Kaisers auf, und wie das Haus Habsburg den Thron missbraucht hatte. Das Pamphlet bekam eine unerhörte Durchschlagskraft in Deutschland, und immer mehr Stimmen sprachen mit immer größerem Nachdruck von einer Art Kompromiss, um endlich, endlich dem Elend ein Ende zu machen. Um Unterstützung für seine Sache zu gewinnen, beschloss Ferdinand, den Reichstag einzuberufen, der seit 1608 nicht zusammengetreten war.
Während das Treffen vorbereitet wurde, ging der Krieg weiter.
Banér hatte jetzt 32 000 Mann zur Verfügung, das größte Heer, das er je ins Feld geführt hatte. Am 7 . Mai brach die Armee von Erfurt auf. Selten sah man ein solch farbiges und unüberschaubares Gewimmel von Soldaten, Kanonen und Wagen an einem einzigen Ort, und auf den Mauern und Türmen der Stadt drängten sich Männer, Frauen und Kinder, die das merkwürdige Schauspiel begafften. Jetzt zogen sie los, um Piccolominis Armee über den Haufen zu rennen.
Die Probleme ließen indessen nicht lange auf sich warten. Das Heer bestand aus fünf verschiedenen Truppenkontingenten: Schweden, Hessen, Lüneburgern, Franzosen und, nicht zu vergessen, den störrischen Bernhardinern. Der cholerische Banér war es gewohnt, im Stil eines Oberbefehlshabers ganz nach seinem eigenen Kopf zu schalten und zu walten, aber nun sollten die Operationen der Armee von fünf alles andere als gleichgestimmten Persönlichkeiten gelenkt werden. Der wesentlichste Grund, warum es so ungeheuer schwer war, einen Frieden zustande zu bringen, war – abgesehen davon, dass das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Seiten jetzt so ausgeglichen war, dass die Kämpfe stets in militärischen Pattsituationen endeten –, dass so viele Staaten in den Krieg verwickelt waren und dass sie so unterschiedliche Kriegsziele verfolgten; die Zahl der Variablen im Spiel war zu hoch. Eine Miniaturversion dieses Dilemmas wurde rasch in Banérs Armee sichtbar.
Banér wollte nach Südosten gehen, um den alten schwedischen Gedanken zu verwirklichen, den Krieg in die Erblande des Kaisers zu tragen; die Hessen wollten, dass das Heer sich aufteilte, sodass sie zusammen mit den Franzosen anfangen konnten, gegen die Spanier in den Niederlanden zu kämpfen; die Lüneburger dagegen wollten das Heer um jeden Preis zusammenhalten, weil eine Aufspaltung mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass die 10 000 hungrigen schwedischen Münder sich nach Norden und damit ins Lüneburgische wendeten; die Franzosen wollten sich am liebsten nicht allzu weit von den für sie so wichtigen Grenzgebieten am Rhein entfernen, während sie gleichzeitig – einer geheimen Absprache folgend, die zwischen ihnen und den mit dem Kaiser verbündeten Bayern
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