Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Marketendern, Neugeworbenen und anderen, die in den Heerlagern ein-und ausgingen, mitzuschwimmen. Doch gegen alle Wahrscheinlichkeit war es den Kaiserlichen gelungen, in völliger Stille Streitkräfte aus ganz Süddeutschland zusammenzuziehen, die nun dabei waren, ein genau abgestimmtes Zangenmanöver gegen Banérs nichtsahnendes Heer auszuführen. Die Hauptstreitmacht kam grollend im Frühlingsregen aus der Gegend von Regensburg auf Cham zu. Gleichzeitig stieß ein großes Reiterkorps von Passau aus vor. Zwei lange Arme von Schwadronen und Bataillonen waren dabei, die schwedische Armee einzuschließen.
Banér hatte seinen Gegner unterschätzt, so viel war klar. Nun galt es nur, schnell den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. In Cham feuerte die schwedische Artillerie Alarmschüsse ab, als Zeichen für die in der Umgebung liegenden Verbände, sich zu sammeln. Währenddessen erreichte die kaiserliche Hauptmacht Neunburg, nordwestlich von Cham. Einige schwedische Verbände, die sich in der kleinen Stadt gesammelt hatten, wurden jedoch eingeschlossen, bevor sie abziehen konnten. Den Befehl über sie führte Erik Slang, der einarmige Oberst, der an der Plünderung von Beraun in Böhmen beteiligt gewesen war. Er machte Piccolomini, der an der Spitze seiner Reiterei am Ort erschienen war, sogleich klar, dass er nicht daran denke, aufzugeben. Neunburg lag auf dem Weg nach Cham, und um weiter vorrücken zu können, mussten die Kaiserlichen zuerst Slangs Truppe bezwingen. Die Infanterie der kaiserlichen Hauptmacht wurde herangeführt, und am Morgen des 10 . März war auch die gesamte kaiserliche Artillerie herangefahren und aufgeprotzt. Der Angriff konnte beginnen.
Die Kriege bestanden zu einem großen Teil aus Kämpfen um Festungen und befestigte Orte. Auch auf dem Gebiet des Festungsbaus hatte sich eine kleinere Revolution ereignet und die Kriegsführung verändert. Der alte Befestigungstyp, der das ganze Mittelalter hindurch gebaut worden war und aus Ringmauern bestand, die senkrecht und hoch, aber dünn waren – was völlig ausreichend war, weil sie in erster Linie dazu gedacht waren, Erstürmungen abzuhalten –, war durch ein neues System ersetzt worden, das
trace italienne
genannt wurde. Dieser neue Befestigungstyp hatte Mauern, die niedriger, winkelig und sehr dick waren und vor allem Schutz gegen schweres Artilleriefeuer bieten sollten. Während die mittelalterlichen Festungen rund oder viereckig gewesen waren, waren die neuen sternförmig angelegt, wobei die niedrigen Mauern von verwickelten Lagen von scharf gewinkeltem Außenwerk und Bastionen gesäumt waren, von denen man schweres Kreuzfeuer schießen konnte. Besonders diese neuen Festungen waren wichtig, denn sie waren unerhört schwer einzunehmen, und auf sie gestützt, konnte man mit kleinen Verbänden große Gebiete in Schach halten; eine einzige Festung konnte zuweilen ein bis zu 80 Quadratkilometer großes Gebiet beherrschen. Hinter ihren Mauern konnte sich auch eine kleine Truppe mit Erfolg gegen einen weit überlegenen Gegner verteidigen, was im offenen Feld unmöglich war. Dies ist auch die Erklärung dafür, dass der Krieg zwischen den Spaniern und den Holländern so kostspielig, langwierig und gründlich festgefahren war. Es gab eine derartige Menge solcher neuer Festungen in Flandern und den Niederlanden, dass schnelle und raumgreifende Offensiven dort nicht möglich waren. Der Krieg nahm stattdessen die Form eines zähen und systematischen Durchbeißens durch die doppelten, dreifachen und vierfachen Linien von Bastionen, Ravelinen und Kronwerken an: Umdrehung für Umdrehung mussten die Kämpfenden sich in das harte Kernholz hineinbohren. Außerdem liebten viele Militärs, und besonders die sogenannten militärischen Denker, Belagerungen. Sie hielten sie für eine systematischere und kalkulierbarere Art der Kriegsführung als das Herumwirbeln mit großen Heeren, die an einem einzigen unglücklichen Nachmittag von der Bildfläche verschwinden konnten und außerdem die unselige Neigung zeigten, die ganze Zeit durch Hunger und Krankheiten zusammenzuschmelzen. Bei manchen scheint auch der Gedanke durch, dass der Belagerungskrieg eine etwas zivilisiertere Form des Kriegs sei als der bewegliche Krieg, der mit allem Recht als «wild» beschrieben wurde. (Dass die Kriegsführenden bei den Kämpfen in den Niederlanden mehr Zurückhaltung übten, zeigt sich daran, dass dort der sogenannte holländische Pardon praktiziert wurde. Er bedeutete, dass einer, der sich
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