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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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erahnen. Sie entsprang zum Teil dem mittelalterlichen Ritterideal, das in Europa weiterlebte, aber auch der klassen-und berufsmäßigen Gemeinsamkeit der Krieger. Fanatismus ist etwas für ideologisch Überzeugte, nicht für Männer, die den Krieg zu ihrem Beruf und zu einer Lebensart gemacht haben.
    Den ganzen Mittwoch über sprühte die kaiserliche Artillerie Projektile gegen Neunburgs Mauern, die rasch in rollenden Explosionswolken von Staub und kantigen Sprengsteinen zermahlen wurden. Die Aufgabe war nicht besonders schwer, denn die Festungswälle waren wie gesagt vom senkrechten, alten Typ und außerdem in einem Zustand fortgeschrittenen Verfalls, und den Verteidigern fehlten zu allem Unglück eigene Geschütze, um das Feuer zu erwidern. Gegen Abend war ein klaffendes Loch in der Mauer entstanden. Der kaiserliche Befehlshaber entsandte zu diesem Zeitpunkt einen seiner Obersten, um, wie der Brauch und das Ritual es verlangten, zu fragen, ob Slang und seine Männer jetzt bereit seien zu kapitulieren. Die Schweden hatten jedoch die Bresche mit Brettern und Balken wieder geschlossen, und Slang wies die Vorschläge des Obersten glatt zurück und drohte stolz, ihn zu erschießen, falls er es noch einmal versuchte. Eine Weile später wurde ein kaiserlicher Trommler vorgeschickt, um einen neuen Vorschlag zu machen, aber kaum hatte er sich gezeigt, als er mit einem gut gezielten Schuss von dem löcherigen Festungswall niedergestreckt wurde. Die Antwort kam auf der Stelle; dichte Sturmkolonnen wälzten sich durch die Frühjahrsnässe heran, erreichten die Mauern, wurden aber mit hohen Verlusten zurückgeschlagen.
    Am Tag darauf wurde die kaiserliche Artillerie näher in Stellung gebracht, und zwei der Türme der Stadt zerbröckelten bald unter dem Beschuss grober Kaliber. Gruppen kaiserlichen Fußvolks rückten durch den Staub vor und kamen den Löchern in der Mauer so nahe, dass sie mehrere Straßen der Stadt mit Musketenfeuer bestreichen konnten. Nun wollten einige von Slangs Offizieren aufgeben; sie hatten alles getan, was von ihnen erwartet werden konnte. Doch Slang lehnte ab. Als sie daraufhin klagten, dass ihre Munition zur Neige gehe, hatte der halsstarrige Oberst sogleich die Antwort parat: «Statt Kugeln können wir Steine nehmen. Davon gibt es genug. Laßt die Leute suchen und sammeln!» Es ist unwahrscheinlich, dass die schwedischen Reiter dazu kamen, Steine auf ihre Feinde zu werfen, denn sogleich richteten sich die Schauer brummender Kanonenkugeln gegen die Mauer zwischen den beiden zusammengeschossenen Türmen, und binnen kurzem sackte auch sie krachend in sich zusammen. Die kaiserlichen Kanoniere konnten jetzt direkt in die Stadt hineinsehen, bis zum Marktplatz. Nun hatte auch Slang genug, und er beugte sich dem gesunden Menschenverstand des Belagerungsrituals. Er ließ Trompeter die Kaiserlichen anblasen und erklärte sich zur Kapitulation bereit, falls seine Offiziere nicht gefangen genommen würden (die gemeinen Soldaten sollten zurückgelassen werden). Die Gegner lehnten ab. Die Schweden mussten sich auf Gnade und Ungnade ergeben, bedingungslos. Aus der zerschossenen Stadt trotteten rund 90 Offiziere, 1600 Reiter und 180 Musketiere. Neunburg war gefallen. Der Weg nach Cham war frei.
    Die Kaiserlichen jubelten ihr
victoria
, aber die Wahrheit war, dass sie auf ihrem Marsch, um das Heer Banérs zu fangen, erheblich aufgehalten worden waren. Nicht dass hinter Slangs zäher Verteidigung ein solcher Gedanke eine Rolle gespielt hätte. Die Truppe in Neunburg war eingeschlossen worden, bevor sie aus dem Sack hatte schlüpfen können, und Banér hatte beschlossen, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Das mag zynisch wirken – und schmerzte sicherlich, denn Slang stand ihm nahe –, aber es war wohl unausweichlich: Das Tier in der Falle biss seine eigene Pfote ab, um freizukommen. Am 8 . März, als Slangs Verband eingeschlossen wurde, waren die Kaiserlichen drauf und dran, die Tür hinter Banérs Rücken zuzuschlagen. Doch dann legten sie einige Tage Pause ein und betrachteten mit großen Augen, wie die Mauern Neunburgs niedergeschossen wurden, und während dieser Zeit agierten Banér und seine Truppen mit gewohnter Schnelligkeit. In größter Hast wand sich eine lange Schlange von Fußvolk, Trosswagen, Artillerie und, als Letztes, Reiterei nach Norden und in Sicherheit. Es wurde eine Reprise des Rückzugs von Torgau: harte Tagesmärsche auf verschlungenen Wegen durch eine waldige und morastige Landschaft, auf

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