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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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der Flucht vor einem Feind, der die ganze Zeit in der Ferne zu ahnen war und sie zuweilen einholte und dann peitschende Schläge gegen den Schwanz der Schlange richtete. Der einzige Unterschied war, dass dieser Rückmarsch während des Frühjahrshochwassers stattfand, sodass die Wege bestenfalls miserabel und schlimmstenfalls überschwemmt waren; besonders die Kanonen drohten ständig steckenzubleiben, und nicht selten mussten verfrorene und durchnässte Männer die schweren Geschütze Meter für Meter durch eiskalten Schlamm und strömendes Schmelzwasser ziehen. Im Schnitt kamen sie 20 Kilometer am Tag voran, was ein wenig armselig erscheinen mag, aber dabei muss man bedenken, dass in dieser Jahreszeit, bei diesem Wetter und auf diesen Wegen eine so große Ansammlung von Menschen, Tieren, Fahrzeugen und Geschützen rund 15 Stunden benötigte, um diese Strecke zurückzulegen. Wie gewöhnlich waren es die Männer der Nachhut, denen es am schlimmsten erging. An den Tagen waren sie meistens in Scharmützel und regelrechte Kämpfe mit den hartnäckigen Verfolgern verwickelt. Bei mindestens einer Gelegenheit wurde auch die gesamte Nachhut aufgerieben und musste durch neue Soldaten ersetzt werden – die am Ende waren der Schwanz der ehernen Schlange, der zuweilen abgeworfen und preisgegeben werden musste, damit der Rest fliehen konnte. Und jede Nacht arbeiteten die erschöpften Truppen Stunde um Stunde daran, Bäume quer über den Weg zu fällen, um die Kaiserlichen auf ihrem Marsch aufzuhalten.
    Am Morgen des 17 . März ging die Armee auf einer zuvor gebauten Pontonbrücke über die Eger. Als die gewundenen Ketten von Menschen gegen Mittag den Aufstieg zu dem schmalen Gebirgspass bei Preßnitz begannen, der sie aus Böhmen heraus und nach Norden nach Sachsen hineinführen sollte, hörten sie plötzlich das rollende Echo von Musketen-und Kanonenfeuer hinter sich. Es zeigte sich, dass das Heer nur um eine knappe halbe Stunde der kaiserlichen Hauptstreitmacht entgangen war, die unerwartet am nördlichen Ufer des Flusses aufgetaucht war. Zum Glück konnten die schwedischen Kolonnen aufbrechen, bevor die kaiserlichen Dragoner herankamen. Der Eingang zum Pass wurde von einer Abteilung Musketiere und einigen in aller Hast in Stellung gebrachten Kanonen mit intensivem Feuer belegt. Die feindlichen Dragoner drängten nach, wurden aber von einer eingestürzten Brücke über einen vom Frühjahrshochwasser angeschwollenen Bach aufgehalten und in ein ausgedehntes Feuergefecht mit der zurückgelassenen schwedischen Nachhut verwickelt, das den Rest des Tages und die ganze Nacht andauerte. Und die eherne Schlange warf einen weiteren Schwanz ab und entkam nach Sachsen.
    Ein Rückzug dieses Ausmaßes war immer schwierig und konnte ebenso verlustreich sein wie eine reguläre Feldschlacht. Wie gewöhnlich verendeten Pferde in großer Zahl, und man konnte immer mehr Reiter zu Fuß weiterziehen sehen, vorbei an Gräben, aus denen Pferdehufe sich gegen den regenschweren Himmel reckten. Die ungeheuren Strapazen stellten auch die Disziplin auf eine harte Probe, und Auflösungserscheinungen machten sich bemerkbar. Auf dem engen Weg kam es mindestens bei einer Gelegenheit zu einer großen Panik in den Marschkolonnen. Die Kutscher sprangen von ihren Wagen, schnitten die Zugleinen der Pferde durch und ritten davon. Die Nachfolgenden konnten später Hunderte gedeckte Trosswagen in langen, festgefahrenen Reihen stehen sehen, brennend und von weggeworfenen Gegenständen und herausgerissenen Kisten umgeben; in den Bäumen hingen hier und da baumelnde Körper von Soldaten, die beim Plündern der Wagen gefasst und an Ort und Stelle gehängt worden waren. Während des ganzen Rückzugs scheint der Tross durch die Plünderungen eigener Soldaten größere Verluste an Wagen erlitten zu haben als durch feindliche Aktionen. Banér bemerkte, dass seine Männer in Scharen aus den Marschkolonnen verschwanden, um auf Raubzüge in der Umgebung zu gehen, aber er hoffte resigniert, dass sie nach und nach zurückkehren würden, wenn sie satt waren und genug geplündert hatten. Nicht dass es hier im Grenzgebiet zwischen Sachsen und Böhmen so viel zu stehlen gab. Es war schwer, Nahrung zu finden, denn – wie Banér selbst am 22 . März in einem Brief nach Stockholm schreibt – dort herrschte
    eine solche Armut, [es ist] so wüst und leer, daß es unmöglich ist, es mit der Feder zu beschreiben. Und wenn es möglich ist, aus den vereinzelten Kleinstädten so viel Brot

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