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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Laxiermitteln und widerlichen Brechtinkturen aussetzten. Das Kranke sollte aus dem Körper.
Wade retro, Satana!
Die humoralpathologischen Ideen lagen auch der verordneten Diät zugrunde. Einer Krankheit, die auf einen Mangel an Blut – ein warmer und feuchter Saft – zurückgeführt wurde, konnte damit abgeholfen werden, dass der oder die Kranke warme und feuchte Nahrung erhielt, und einer, dem es an schwarzer Galle fehlte, musste etwas zu sich nehmen, das trocken und kalt war, und so fort. Neben dieser offiziell anerkannten Heilkunst gab es außerdem eine Reihe anderer Schulen: Manche lehrten «magnetische» Kuren, andere redeten von Medizin auf astrologischer Grundlage, wieder andere, wie die Iatrophysiker, wollten in Übereinstimmung mit den neuen Entdeckungen den Körper nur als ein System von Schleusen und Hebeln sehen. Der Bedarf der einfachen Bevölkerung an medizinischer Hilfe scheint in der Regel durch weise Frauen, heilkundige Amateure oder umherziehende Verkäufer von Wunderkuren gedeckt worden zu sein. Im besten Fall praktizierten diese eine derbe, aber nicht ganz wirkungslose Naturmedizin, im schlimmsten Fall handelte es sich um reine Scharlatanerie. Dies galt auch für die Ärzte feiner Leute, unter denen es nicht wenige erfolgreiche Gauner gab; einige empfahlen Reiten als Universalmittel gegen alles und jedes, von Hysterie bis Lungenschwindsucht, andere verkauften für teures Geld «sympathisches Pulver», das eine Schusswunde heilen können sollte, wenn es auf die Waffe aufgebracht wurde, die sie verursacht hatte.
    Die Menschen waren sich der Mängel der Heilkunst bewusst, weshalb die Kranken in Bezug auf das, was die Ärzte für sie tun konnten, selten übertriebene Hoffnungen gehegt zu haben scheinen. Entweder man überwand die Krise, oder man ging unter. Krankheiten und Schmerzen gehörten zum Leben, und der Tod war der natürliche Endpunkt der Erdenwanderung, etwas, das man scheute, aber nicht fürchtete. Der Körper verschwand, doch die Seele lebte weiter. Wie der Dichter John Donne im 17 . Jahrhundert schrieb:
    One short sleep past, we wake eternally
    And death shall be no more; death, thou shalt die.
    Wenn Menschen ernsthaft krank wurden, scheinen sie mindestens ebenso großes Gewicht auf die Sorge für die Rettung ihrer Seele wie auf die Versuche zur Rettung ihrer gebrechlichen irdischen Hülle gelegt zu haben. Das Sterben bedeutete also kein Ende, sondern nur, dass die Seele weiterwanderte, und richtig zu sterben, war deshalb eine große und wichtige Kunst, die sie zur Vollendung beherrschten, die aber uns Heutigen verlorengegangen ist, die wir zu glauben scheinen, die Ärzte könnten uns vor dem körperlichen Ende retten.
    Banér bereitete sich in der üblichen Weise auf den Tod vor, schrieb Abschiedsbriefe und legte die Beichte ab: Tränen, Glaubensbekenntnis, laute Gebete, Abendmahl und schöne Worte. Die Ärzte hasteten mit besorgten Mienen umher, verabreichten Klistiere, befühlten seinen steinharten Stuhl, trichterten ihm Benzoe und in Wein aufgelöste Perlen ein und schnüffelten an seinem Urin. Eine Weile sah es so aus, als erhole sich Banér, und vorsichtig stieg er aus dem Bett und begann abrupt, in gewohntem Tempo Briefe zu diktieren und Befehle zu brummen. Doch bald fiel er wieder zurück in Lallen und Fieber. Die Ärzte schüttelten besorgt ihre Köpfe, sprachen davon, dass der Kopf leider übervoll mit Blut und die Körpersäfte wieder in Aufruhr seien, was schlimm genug war, aber «der anbrechende Vollmond in Vereinigung mit der nahe bevorstehenden Sonnenfinsternis» werde alles noch weit schlimmer machen. Man kann über die Mondphasen sagen, was man will, aber die Wahrheit über Banérs Krankheit war allem Anschein nach, dass er infolge seines schweren Alkoholismus an einer weit fortgeschrittenen Leberschrumpfung litt. Wegen der in der Nähe aufflammenden Kämpfe wurde Banér in einer zwischen zwei Mauleseln befestigten Hängebahre Anfang Mai nach Halberstadt gebracht. Dort, in einem von Gebeten, Chorälen und Zuschauern angefüllten Haus, starb er ruhig um Viertel nach vier am Morgen des 10 . Mai 1641 . Jemand hat sich die Mühe gemacht zu überschlagen, dass auf seinen Feldzügen mehr als 600 Fahnen erobert und mehr als 80 000 gegnerische Soldaten getötet wurden. Niemand hat je die Zahl der verbrannten Dörfer ausgerechnet. Schwedens Feinde freuten sich darüber, dass der Mann, den sie «den alten Mordbrenner» nannten, endlich tot war. In dem schwer verwüsteten Böhmen

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